Kultsendung

Watschn, Schmähgesänge und Kostüme: Das hatte die "Fastnacht in Franken" zu bieten

2.2.2024, 23:26 Uhr
Matthias Walz präsentiert hier bei der Generalprobe schon mal seinen Auftritt.

© Karl-Josef Hildenbrand, dpa Matthias Walz präsentiert hier bei der Generalprobe schon mal seinen Auftritt.

Es hätte doch so schön sein können, mag sich Markus Söder so nach drei Stunden Live-Sendung "Fastnacht in Franken" gedacht haben. Derbe Sprüche gegen die Ampel-Regierung in Berlin, süffisante Seitenhiebe auf die Grünen und immer wieder Watschn für seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger.

Er selbst, seit knapp sechs Jahren bayerischer Ministerpräsident und normalerweise permanentes Ziel von Giftpfeilen aus der fränkischen Bütt', wird zunächst weitgehend geschont. Zu präsent ist die Verärgerung über das Berliner Treiben und die häufig als Populismus empfundenen Vorstöße des Freie-Wähler-Chefs Aiwanger.

Albträume in Grün für Schwarz

Doch spätestens mit dem singenden Humoristen Matthias Walz, der am Freitagabend die Bühne rockte, dürfte auch beim CSU-Chef der Blutdruck gestiegen sein. Fantasierte der Karlstadter Narr doch tatsächlich über eine grüne Ministerpräsidentin Katharina Schulze in Bayern und einen CSU-Kanzler Söder. "Du bist jung und sehr vital - ich seh' da Potenzial. Du musst halt noch nei, in die richtige Partei", könnte Söder der Grünen-Fraktionschefin Schulze, die als rosa Barbie verkleidet verzückte, doch anbieten.

"Hey Katha, wie schauts aus, komm halt zu uns in die CSU. Da sind schon ganz andre was geword'n", schlug Walz Söder als Werbespruch vor und trällerte inbrünstig: "Komm nur Katha, komm zu Papa! Des sagt Dir Dein Landesvadda." Albtraumpotenzial für Söder, der nicht nachlässt zu betonen: "Die Grünen passen mit ihrem Weltbild nicht zu Bayern."

Ansonsten blieb es bei vergleichsweise wenigen Spitzen gegen die bayerische Politik. Der Unmut über Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine rot-grün-gelbe Truppe war dagegen omnipräsent. "Die Mannschaft vertraut meiner Führung wie Deutschland der Regierung", scherzte der Kommandant der Altneihauser Feierwehrkapell'n, Norbert Neugirg, dessen Truppe aus der Oberpfalz nicht wirklich viel auf die Anweisungen ihres Chefs gibt.

Doch beim traditionellen Frankenbashing war die Kompanie - "elf Hetero-Pfälzer-Frauenherzen-Schmelzer" - geeint: "Alt, weiß, männlich, abgehangen - am Frankenwein fast eingegangen", konstatierte Neugirg vor den rund 600 Gästen im Saal. "Die Kapelle aus dem Oberpfälzer Wald, macht vor überhaupt nichts halt. Proteste, Pfiffe, kein Applaus - macht uns überhaupt nichts aus. Buhrufe, geworfene Messer - dem Söder geht es auch nicht besser."

Kostüme mit politischen Botschaften

Der CSU-Chef kam heuer als Otto von Bismarck verkleidet, der ehemalige Reichskanzler. Ein Fingerzeig auf die Kür des Kanzlerkandidaten der Union? "Strauß hat immer gesagt, in schweren Zeiten müssen die Bayern die letzten Preußen sein", begründete Söder seine Kostümwahl mit Verweis auf den langjährigen ehemaligen CSU-Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß.

Als Chefin im Zirkus und im Parlament gab sich die als Dompteurin verkleidete Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) - die Wahrsagerin des Abends, Nilpferd Amanda von Bauchredner Sebastian Reich, schaute gleich in ihre Glaskugel und prophezeite Aigner eine Zukunft als Ministerpräsidentin.

Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) erschien als Punk - und hatte auf seinem T-Shirt auch vermerkt, wogegen er protestiert, nämlich gegen Faxe - die wolle er aus den Amtsstuben verbannen. Als "Wonder Woman" kämpfte sich Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) nach Veitshöchheim, CSU-Generalsekretär Martin Huber zeigte sich im Grusel-Outfit.

Schrullige Witwen zur Begrüßung

Mit Ausnahme der sehr provokanten Feierwehrkapell'n aus Ostbayern dürfen bei der im Bayerischen Fernsehen übertragenen Prunksitzung des Fastnacht-Verbandes Franken nur Büttenredner, Comedians und Tanzende aus Franken auf die Bühne.

Bei den Witwen "Waltraud und Mariechen" - dargestellt von den Kabarettisten Martin Rassau und Volker Heißmann aus Fürth - tobte die Menge auf den Stühlen hinter den Prominenten. Mariechen überreichte Aiwanger einen Bückling (geräucherter Hering mit Kopf), als die schrulligen Damen von Tisch zu Tisch gingen und Politiker aller Cou­leur begrüßten. "So viel Meinung für so wenig Ahnung", witzelte die scharfzüngige Waltraud zu Aiwanger.

Doch das mehr als dreieinhalbstündige Spektakel hatte auch ungewohnt nachdenkliche Momente. Kriege, Krisen, Hass und Hetze: "Ich mag nicht mehr", motzte der Kabarettist Klaus Karl-Kraus. "Ich kann diesen Weltschmerz nicht mehr ertragen." Als Ausweg bleibe nur der Fasching - aber er werde dennoch nach 20 Jahren die Bühne in Veitshöchheim verlassen. Tränen kullerten dem als KKK beliebten Erlanger übers Gesicht, als er seinen Abschied verkündete.

Zielscheibe Ampel

Büttenredner Peter Kuhn aus Schweinfurt - ein Dichter zum Niederknien und als Richter verkleidet - knöpfte sich wie viele andere an dem Abend die Bundesregierung vor. "Das allgemeine Urteil lautet erst mal schlicht: Diese Regierung kann es einfach nicht", reimte er unter großem Applaus. "Auf Vorsatz kommt es hier nicht an, denn sonst hätten die ja einen Plan."

Das verkorkste Heizungsgesetz, die schier endlosen Debatten ums Gendern, Hype und Sorge um Künstliche Intelligenz (KI), Aiwangers Flugblattaffäre: Steilvorlagen für Bütt' und Sketche liefern Gesellschaft und die Politik derzeit zuhauf. Und Franken ohnehin, wie der Kommandant der Altneihauser Feierwehrkapell'n betonte: "Wir hätten diesen Auftritt gern vermieden, doch die KI hat halt entschieden, dass wir ins Programm gehören, weil wir schlicht die besten wären", protzte Neugirg und lästerte: "Um die Politiker, die hier sitzen, im Gesichtsausdruck zu unterstützen."