Beim Weißenburger Rats Run voll dabei

Tagblatt-Reporter meisterte Hindernislauf - inklusive Schlamm, Schotter und Seeweiher

Bastian Mühling

23.8.2022, 08:43 Uhr
Geht doch nichts über ein schönes Wassertreten in der Rezat - der Weißenburger Rats Run 2022 machte es für Bastian Mühling und rund 450 weitere Starter möglich.

© Miriam Zöllich, WT Geht doch nichts über ein schönes Wassertreten in der Rezat - der Weißenburger Rats Run 2022 machte es für Bastian Mühling und rund 450 weitere Starter möglich.

Kilometer 1. Auf dem Verkehrsübungsplatz kommt schon das erste Hindernis. Klingt doof, aber ich bin überrascht. Mein Körper ist es nicht gewohnt, beim Joggen ständig unterbrochen zu werden. Im Lastwagen, von außen unscheinbar, ist Koordination gefragt. Mehrere Metallkäfige muss ich überwinden. Nur wie? Es staut sich, also schaue ich mir an, wie es der Läufer vor mir macht. Klettert über die Wand. Na gut, dann mache ich das auch so. Weiter geht‘s mit kleinen Hindernissen: ein paar gelbe Schnüre an Baumstämmen, ein Netz zum Durchkrabbeln. Am Spielplatz feuern mich zwei kleine Kinder an: „Bravo, bravo.“ So schlecht stelle ich mich anscheinend nicht an.

Alles tropft und trieft, das viel zu große Baumwollshirt war vielleicht doch nicht die beste Wahl. Hinter mir strengt sich Ex-Fußballprofi Markus Steinhöfer an, mich zu überholen. Packt er natürlich.

Alles tropft und trieft, das viel zu große Baumwollshirt war vielleicht doch nicht die beste Wahl. Hinter mir strengt sich Ex-Fußballprofi Markus Steinhöfer an, mich zu überholen. Packt er natürlich. © Uwe Mühling, WT

Kilometer 2. Ich laufe auf die Altstadt zu, ein Highlight. Ich freue mich auf die Zuschauer und die Stimmung. Die Hindernisse vergesse ich dabei komplett, kurz danach vergeht mir das Lachen. Über die dicken Autoreifen springe ich noch locker drüber, doch die Badewanne ist einfach nur ekelhaft. Ich falle ins kalte Wasser, tauche unter, hieve mich hoch und springe auf die Palette. Alles tropft, trieft – das alte Landkreislauf-Baumwollshirt war vielleicht doch nicht die beste Kleidungswahl. Mit gefühlt zwei Kilo Wasser geht es durch ein Auto. Gar nicht so einfach. Auf einmal liege ich quer in einem alten Volkswagen. Die Motorhaube ist rutschig, warnt eine Helferin. Also springe ich seitlich runter. Sie lacht. Wird schon keiner gesehen haben.

Für die Hindernisse in der Altstadt, hier ein paar dicke Autoreifen, spare ich mir die Kraft auf. Zuschauer und gute Stimmung sind in der Luitpoldstraße garantiert. 

Für die Hindernisse in der Altstadt, hier ein paar dicke Autoreifen, spare ich mir die Kraft auf. Zuschauer und gute Stimmung sind in der Luitpoldstraße garantiert.  © Caroline Hirt, WT

Kilometer 3. Nach dem Marktkauf-Hügel überhole ich einen Läufer mit Baumstamm. Nicht sein Ernst, oder? Bei mir zieht es schon leicht im Oberschenkel, und der will gleich zwei Runden mit seinem Holzbalken laufen. Beziehungsweise waten. Denn jetzt geht es in den Steingärtner Weiher und in die Rezat. Ich laufe Wasser, Schlamm und Steine aus den Schuhen und verteile es auf ausgetrockneten Feldern. Kaum fühlt sich mein Laufschuh wieder mehr nach Schuh als nach Gewicht an, rutsche ich in den Bach am Galvazer durch die Bahnunterführung. Dort ist es dunkel, das Wasser tief und schlammig. Der Dreck gräbt sich in die Laufschuhe, und mich würde es nicht wundern, wenn hier eine Ratte, also eine echte, mit mir herumschwimmt. Zum Glück tut sich nach der Unterführung eine dschungelartige Landschaft auf. Wenn Tarzan auf einer Liane angeflogen käme, es würde mich nicht wundern. Ich ziehe mich aus dem Wasser, plötzlich ruft jemand: Vorsicht, kann ich mal durch? Ich erwarte einen der Spitzenläufer, doch es ist Organisator Jens Zimmermann. Respekt, gutes Tempo. Da muss ich mich ranhalten.

Mittendrin: Tagblatt-Reporter Bastian Mühling (Startnummer 834) stolpert in den Steingärtner Weiher. Die Abfrischung tut gut, wie auch den anderen Teilnehmern des Rats Runner anzusehen ist.  

Mittendrin: Tagblatt-Reporter Bastian Mühling (Startnummer 834) stolpert in den Steingärtner Weiher. Die Abfrischung tut gut, wie auch den anderen Teilnehmern des Rats Runner anzusehen ist.   © Uwe Mühling, WT

Kilometer 4. Ich verliere so langsam die Orientierung. Im Wald klettere ich zuerst einen Berg hoch, dann wieder hinunter. Hört denn das irgendwann auf? An manchen Stellen ist die Steigung so steil, dass ich mich lieber an einem Seil hochziehe. Dumm nur, dass ich das Seil gegen meine Startnummer schlage. Fast fliegt sie mir weg. Kurz wieder hinklicken, den Schweiß beziehungsweise Schlamm aus dem Gesicht wischen und weiter. Selbst im Wald ist die Strecke perfekt beschildert und auch im letzten Winkel steht ein Helfer des TSV 1860 Weißenburg. Super Organisation!

Comeback der rasenden Reporter: vor 21 Jahren Landkreislauf, diesmal Rats Run.  

Comeback der rasenden Reporter: vor 21 Jahren Landkreislauf, diesmal Rats Run.   © Amelie Mühling, NN

Kilometer 5. Dennoch wird es langsam einsam. Kurz ein Wasser an der Verpflegungsstation, dann laufe ich weiter auf dem Feldweg. Zuschauer? Fehlanzeige. Nur ein Dutzend Kühe stehen schön aufgereiht gebannt am Zaun, hinter ihnen liegt Weißenburg. Was für ein herrliches Bild. Ich quäle mich von Hindernis zu Hindernis und die Kühe schauen mich ungläubig an. Aber ganz ehrlich? Sie haben ja auch recht. Warum tue ich mir das an?

Kilometer 6. Es wird hügelig. Auf der Bauschutt-Deponie geht es einen Berg voller Schotter und Sand hoch und dann wieder hinunter. Und das mindestens zehnmal. Ich laufe hinter zwei Hard Boys her, die zwei Runden laufen. Ich kündige mich mit meinem Schnaufen an. „Lass den mal durch“, sagt der eine zum anderen. Sie hören laut Musik. Es läuft Metallica. Was sonst? Beim Hochkraxeln rutsche ich einmal so stark ab, dass ich kaum noch über den Hügel komme. Ich halte mich an einem der Streckenpfosten fest und ziehe mich nach oben. Als Fotograf sieht das immer deutlich leichter aus. Das Runterlaufen fühlt sich an wie surfen – außer es legt einen hin. Da nehme ich mir vor, den Hügel langsam herunterzulaufen, und zack, schon liege ich auf dem Boden. Aufstehen und weiter rast die Reporter-Ratte.

Die Laufstrecke hat neben den nassen Hindernissen auch viele weitere Highlights zu bieten, hier das Nordtor. Ich lerne meine Heimatstadt noch einmal neu kennen.  

Die Laufstrecke hat neben den nassen Hindernissen auch viele weitere Highlights zu bieten, hier das Nordtor. Ich lerne meine Heimatstadt noch einmal neu kennen.   © Uwe Mühling, WT

Kilometer 7. Wieder rein in die Rezat, die sehr unterschiedlich tief ist – mal brust-, mal knie-, mal knöcheltief. Meine Schuhe saugen sich voll. Am Rand steht Susanne Meyer und feuert die Läufer an. Als eine Zuschauerin mit weißer Bluse dazukommt, warnt Meyer: „Pass auf mit deiner weißen Bluse, wenn die da rauskommen.“ Ich laufe auf das Römerkastell zu. Herrlich. Es ist ein Lauf, den ich trotz Schlamm und Steinen in den Schuhen genießen will.

Kilometer 8. Wenn ein paar mehr Zuschauer an diesem Genuss teilnehmen würden, wäre es allerdings noch schöner. Ich laufe noch einmal um die Grundschule. Am Rand stehen vereinzelt ein paar Helfer und Zuschauer. Wo sind denn alle hin?

Geschafft und raus dem Seeweiher, das Ziel schon vor Augen.

Geschafft und raus dem Seeweiher, das Ziel schon vor Augen. © Caroline Hirt, WT

Kilometer 9. Zurück in der Stadt. Während andere gerade in der Luitpoldstraße in Ruhe Kaffee trinken oder Eis essen, tauche ich in braunes, schmutziges Wasser. Das Baumwollshirt hängt wie ein Sack an mir, aber das Ziel ist in Sicht: der Seeweiher.

Kilometer 10. Ich laufe entlang der Stadtmauern und warte sehnsüchtig auf eine Tür, so klein, dass ich gerade so durchpasse. Ich spitze durch die Luke und stelle fest: Da sind sie ja, die Zuschauer. Plötzlich stehe ich an der Klippe zum Seeweiher, am anderen Ufer mehrere Dutzend Zuschauer. Ich bekomme kurz Bammel. Was mache ich jetzt? Einfach reinspringen, hat Jens Zimmermann gesagt. Aber wie? Köpfer, Kerze oder Arschbombe? Ich entscheide mich für einen Köpfer. Die Ausführung? Ausbaufähig. Ich verliere fast meine Hose, mein Baumwollshirt bläht sich auf. Fast, als hätte ich eine Schwimmweste. Gut, dass hier kaum einer zuschaut. Zug um Zug kämpfe ich mich ans Ufer. Ich fühle mich, als würde ich in Zeitlupe schwimmen. Vor lauter Wasser in den Ohren höre ich kaum die Anfeuerungsrufe. Ich klettere hinaus.

Darf nicht fehlen: Das Foto im Ziel nach 53 Minuten und gut 30 Hindernissen.  

Darf nicht fehlen: Das Foto im Ziel nach 53 Minuten und gut 30 Hindernissen.   © Amelie Mühling, WT

Das letzte der gut 30 Hindernisse ist geschafft. Nach 53 Minuten und 26 Sekunden laufe ich ins Ziel. Platz 15, erfahre ich später. Ganz okay bei der Premiere, wobei die Zeit diesmal selbst für die rasende Reporter-Ratte egal ist. Jetzt erst einmal duschen.

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