Ein wilder Ritt durch die Theatertexte

Skurile Premiere für Weißenburger Bürgerchor

5.10.2021, 16:15 Uhr
Skurile Premiere für Weißenburger Bürgerchor

© Jan Stephan, NN

Was war das denn? Das dürfte sich mancher, der rund 250 Besucher gedacht haben, die am Wochenende den Premieren-Auftritt des neuen Weißenburger Bürgerchors im Kulturzentrum Karmeliterkirche gesehen haben. Das neue Theaterprojekt des alten „Lebkuchenmann“-Teams um Regisseur Georg Schmiedleitner sowie Antje Wagner und Rebecca Gruber war wiedereinmal ein kultureller Überfall. Mit dem Startschuss rollte eine rund 20-minütige Kulturwalze durch den Saal, die man vielleicht überdreht finden konnte, die aber ganz sicher keinen kalt ließ.

"Fad darf's nicht werden"

Und das ist eine der Grundüberzeugungen von Georg Schmiedleitners Kulturverständnis. Oder wie der Österreicher gerne selbst sagt: „Fad darf‘s nicht werden.“ Und fad, das war es dann auch wirklich nicht. Der knapp 20-köpfige Chor spielte quer durch den Publikumsraum des Kulturzentrums, er deklamierte von der Empore herab, erklomm die Bühne und platzierte sich zuletzt auch noch hinter dem Vorhang vor der eindrucksvollen Orgel. Zwischendurch schillerte eine verzweifelte Autorenfigur durch den Raum und dachte über den Sinn, Zweck und die Aufgabe des Theaters in der Welt nach.

Skurile Premiere für Weißenburger Bürgerchor

© Jan Stephan, NN

Sehr eindeutig erkannte man Schmiedleitners künstlerische Handschrift. Seine Neigung und sein Talent für große, skurrile Bilder. Zur Skurrilität trug erheblich das Erscheinungsbild der Chormitglieder bei, die von der Kostümverantwortlichen Barbara Seyfried ausgestattet worden waren. Und zwar so, als hätte man die Mitglieder des Chors weit nach Mitternacht aus einer der champagnerschäumenden Partys des Großen Gatsbys herausgekehrt. Es sah alles nach beschwipstem Operetten-Premieren-Publikum aus.

Ein Ort der Eitelkeit

Ein schöner Einfall, weil dieses Operetten-Publikum im Folgenden verschiedenste Texte der deutschen Literatur zum Thema Theater in wechselnden Rollen und mit szenischer Inszenierung in den Saal wuchtete. Es ging um Sein und Schein, um die Funktion des Theaters als einer Bildungs- und Verständnisstätte, aber auch um das Theater als einen Hort der bürgerlichen Inszenierung und der Eitelkeit.


Was für eine Schau: Der Lebkuchenmann 2019 im Weißenburger Bergwaldtheater in Bildern


Das Publikum nahm die insgesamt vier Vorstellungen, die über das Kunsttage-Wochenende verteilt waren, begeistert auf. „Das ist überwältigend“, kommentierte Georg Schmiedleitner die Resonanz des Publikums. „Den Leuten gefällt offensichtlich schräges und ungewöhnliches Theater die Veranstaltung hat unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen. Das war der Startschuss zum neuen Format des neuen Bürgerchor-Theaters!“ Der Bürgerchor soll nach der Idee des Regisseurs nämlich unabhängig von den großen Theaterprojekten („Der größte Glückskeks“ im Sommer 2022) eine eigenständige Rolle im Kulturleben der Stadt finden. Immer wieder könnte er in kleinen Produktionen Impulse setzen.

Bürgerchor: Mitmachen erwünscht

Dabei soll und darf es in Zukunft thematisch gerne auch lokal zugehen. Neue Ideen seien schon in der Bearbeitung. Vorbild ist der Chor des griechischen Dramas, der in den Stücken der Antike stets die Rolle des Kommentators hatte. Um das Personal des Bürgerchors muss man sich offensichtlich auch eher keine Sorgen machen. „Viele Zuschauer haben auch gefragt ob sie mitmachen können, der Bürger-Sprechchor von Weißenburg wird sicher wachsen“, so Schmiedleitner.

Skurile Premiere für Weißenburger Bürgerchor

© Jan Stephan, NN

Wer möchte kann sich per Mail (bwt@weissenburg.de) melden. Möglich gemacht hatte die aktuelle Produktion das staatliche Förderprogramm von Neustart Kultur, das der Weißenburger Stadtmarketingverein beantragt und genehmigt bekommen hatte. Der Verein trat jetzt auch als Veranstalter der szenischen Lesung auf.