Historischer Rückblick
Seit 1848 gibt es eine eigene Zeitung in Gunzenhausen
19.11.2017, 06:58 UhrDie Weltpremiere war in Leipzig: 1650 überraschte der Drucker Timotheus Ritzsch die Bewohner der sächsischen Stadt mit der allerersten Tageszeitung. Es sollten aber noch 100 Jahre ins Land gehen, bis die bahnbrechende Idee das Fürstentum Brandenburg-Ansbach erreichte. Ab 1752 erschienen die Onolzbachische wochentliche Frag- und Anzeigsnachrichten. Stadtarchivar Werner Mühlhäußer, der einmal mehr für unsere Serie in seinem Archiv gegraben hat, geht davon aus, dass auch die Gunzenhäuser diese Zeitung erhalten und gelesen haben.
Auf eine eigene Zeitung mussten die Altmühlstädter aber weitere 100 Jahre warten. Mit dem etwas sperrigen Titel Wochenblatt der Städte Gunzenhausen und Wassertrüdingen sowie für die angrenzenden Gerichtsbezirke Heidenheim, Herrieden und Heilsbronn brachte der in Nördlingen ansässige Verlag "C.H.Beck’sche Buchhandlung" das Blatt ab 1848 einmal in der Woche samstags heraus. Gedruckt wurde die Zeitung in Nördlingen.
Während C.H.Beck noch heute ein klingender Name im deutschen Verlagswesen ist, bliebt dem Wochenblatt nur eine kurze Randnotiz in der Zeitungsgeschichte Gunzenhausens vorbehalten. Das Aus kam mit dem Gunzenhauser Anzeigenblatt, mit dem der Drucker Philipp Waizmann im Dezember 1863 an den Start ging. Es war zugleich Amtsblatt für das königliche Bezirksamt Gunzenhausen und die Landgerichte Wassertrüdingen und Heidenheim und erschien zweimal in der Woche.
Die Probenummer wurde noch in Nördlingen gedruckt, doch mit dem neuen Jahr verlegte Waizmann die Produktion nach Gunzenhausen. Ab 1865 wurde das Anwesen Weißenburger Straße 22 Sitz der Druckerei Waizmann, 1901 baute Waizmann ein neues Wohn- und Geschäftshaus in der Sonnenstraße 8. Das Gebäude in der Weißenburger Straße blieb aber dem gedruckten Wort verhaftet: Dort befindet sich heute das Buchhaus Dr. Schrenk.
Philipp Waizmann wollte seine Mitbürger aber nicht nur via Anzeigen und Bekanntmachungen informieren, sondern hatte mehr im Blick: Wer den Gunzenhauser Anzeiger las, bekam ab 1873 einmal wöchentlich eine Beilage mitgeliefert. Deren Ziel war es, "die politischen Ereignisse jede Woche klar, unabhängig und freisinnig zu erörtern, das Verständnis für die großen Zeitfragen zu fördern" und "überhaupt nach Möglichkeit Gutes zu wirken". Der Name der Beilage: Der Altmühlbote.
Allerdings stellte Waizmann dieses ambitionierte Projekt schon 1876 wieder ein, 1906 mussten Druckerei und Verlag Waizmann, mittlerweile geführt von den Söhnen Wilhelm Friedrich und Ferdinand Philipp, den Betrieb einstellen, Mühlhäußer vermutet, dass das Unternehmen Konkurs anmelden musste. Damit endete auch die Aera des Anzeigenblatts, das vier Jahre vorher in Gunzenhauser Tagblatt umbenannt worden war.
Ferdinand Philipp Waizmann ging nach Afrika. Bis 1914 arbeitete er als Redakteur für die "Kamerun-Post". Nach Ende des 1. Weltkriegs schrieb er für "Nakrieda", das Nachrichtenblatt der Kriegerschaft deutscher Auslands-/Kolonialtruppen.
Womöglich nicht ganz unschuldig am Konkurs des Kollegen waren Friedrich Albrecht und Max Burkhardt, die 1897 im Anwesen Kirchenplatz 5 eine Druckerei eröffneten und nur ein Jahr später mit dem Altmühl-Boten eine echte Konkurrenz für Waizmanns Zeitung herausbrachten. Die Druckerei wechselte krankheitsbedingt 1911 den Besitzer, Max Josef Geßlein übernahm den Betrieb. Nach seinem Tod verkaufte seine Witwe Anna 1924 die erste Hälfte, 1926 auch die zweite an den Buchdrucker Jakob Riedel aus München.
Riedel hatte zwei Söhne, die sich zu der Zeit beide in Südamerika befanden. Von dort kehrte nur der im Jahr 1900 geborene Wilhelm zurück, sein jüngerer Bruder Georg verstarb auf dem fernen Kontinent. Als einzig verbliebenes Kind — eine Tochter erreichte lediglich das 13. Lebensjahr — übernahm Wilhelm zusammen mit seiner Mutter Ida nach dem Tod von Jakob Riedel 1933 den Verlag in Gunzenhausen. Willy, wie er im Familienkreis genannt wurde, schrieb auch für den Altmühl-Boten. Auf seine Initiative wurden zudem Artikel nun mit Fotografien bebildert.
Derweil erhielt die Heimatzeitung immer mehr Untertitel: "Gunzenhauser Zeitung. Gunzenhauser Tag-, Amts- und Anzeigenblatt. Rundschau am Hahnenkamm und Hesselberg. Einziges Heimatblatt und meistgelesene Zeitung des Bezirks Gunzenhausen-Heidenheim." Ab 1938 wurde der letzte Satz durch "Amtliches Verkündigungsblatt der NSDAP und ihrer Gliederungen im Kreis Gunzenhausen" ersetzt.
Doch schon fünf Jahre vorher hatte der Verlag seine Eignung dafür in vorauseilendem Gehorsam unter Beweis gestellt. Der Redakteur Karl Tilly wurde am 19. Mai fristlos entlassen. Er habe, hieß es in einem Schreiben an die Stadt Gunzenhausen, "hinsichtlich seines dienstlichen und außerdienstlichen Verhaltens wiederholt berechtigten Anlass zum Ärger weitester nationalgesinnter Kreise gegeben". Tilly hatte seit 1912 für den Altmühl-Boten gearbeitet.
Die vorerst letzte Ausgabe der Zeitung erschien am 15. Mai 1945, nur wenige Tage nach der Kapitulation. 1949 erhielt Willy Riedel die Lizenz zur erneuten Herausgabe des Altmühl-Boten. 1958 kaufte der Verlag das Gebäude der Metzgerei Fischer am Marktplatz 47. Es wurde 1960 abgerissen, 1962 wurde dort die nagelneue Geschäftsstelle eingeweiht.
Partnerschaft eingegangen
Nach dem Tod von Willy Riedel (1968) übernahm seine Witwe den nun nach ihr benannten Emmy Riedel Verlag. Sie gab nur ein Jahr später im November 1969 den Startschuss für die noch heute andauernde Kooperation mit den Nürnberger Nachrichten. Die Geschäftsstelle am Marktplatz beherbergt seit Mitte der 1990er-Jahre auch die Redaktion des Altmühl-Boten. Sie wurde ab Anfang 2016 von Grund auf saniert und heuer im September im Rahmen eines großen Zeitungsfests wieder eingeweiht und der Öffentlichkeit vorgestellt.
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