Nach Schlaganfall

Ein Schwabacher ist mit 54 Jahren schwerster Pflegefall - so will der Lions Club helfen

1.12.2024, 05:00 Uhr
Dimitri R. (Symbolbild) muss alles neu lernen. Seine Frau und seine Kinder kümmern sich aufopferungsvoll um ihn. Die Situation erfordert von allen schier unmenschliche Kräfte.

© Juergen Blume/epd Dimitri R. (Symbolbild) muss alles neu lernen. Seine Frau und seine Kinder kümmern sich aufopferungsvoll um ihn. Die Situation erfordert von allen schier unmenschliche Kräfte.

Es war ein früher Morgen im September 2023, seitdem ist nichts mehr wie vorher. Der 53-jährige Familienvater, nennen wir ihn Dimitri R., steht beim ersten Weckerklingeln auf, wie immer ganz leise, damit die Familie noch weiterschlafen kann, wenn er ganz früh zu seiner Arbeitsstelle in Schwabach fährt. Doch diesmal rumpelt und kracht es plötzlich, sodass seine Frau Anna – auch sie heißt in Wirklichkeit anders – besorgt aufsteht. Und ihren Mann schwanken, stolpern und fallen sieht, immer wieder, durch die halbe Wohnung. Alles gut, meint er noch, er will unbedingt zur Arbeit gehen. Da ruft sie schon den Rettungsdienst.

Ein Thrombus im Gehirn, heißt es im Schwabacher Krankenhaus, Dimitri wird ins Südklinikum gebracht. Nach fünf Stunden Warten erfährt Anna, dass das Blutgerinnsel nicht entfernt werden kann und während der OP wohl noch ein zweiter Schlaganfall dazukam. Als sie ihren Mann an diesem Abend wiedersieht, ist er "zwar lebendig, aber wie tot". Er erkennt niemanden, kann sich nicht bewegen, nicht sprechen, nicht schlucken, nichts. Die Klinik schickt ihn nach zwei Wochen zu einer Reha, aber dort erleidet Dimitri einen epileptischen Anfall, er wird ins Krankenhaus nach Coburg gebracht. Erst da stellen die Ärzte fest, dass Dimitris Körper voller Thrombosen ist – in den Beinen, im Herzen, im Gehirn. Und er hat ein (natürliches) Loch im Herzen, was wohl für die Gerinnsel verantwortlich war. Das Loch wird geschlossen. Aber der Patient bleibt ein schwerster Pflegefall.

Kinder helfen dem Schwabacher

Seit Mai ist er jetzt wieder daheim, seine Frau ist rund um die Uhr für ihn da, die beiden erwachsenen Kinder helfen, wo immer es geht. "Gott sei Dank", ist Anna froh, "sie wohnen noch daheim." Dimitri kann inzwischen – mit Hilfe – bis zu fünf Schritte gehen. Er kann eine Gabel wieder halten, sie manchmal bis zum Mund führen. Und er versteht ein bisschen, einfache Worte, kurze Sätze. Aber selbst sprechen, das klappt immer noch nicht wirklich. Das Griechische, seine Muttersprache, kam zuerst wieder, "Apfel", Hose", solche Worte hat eine junge Logopädin dann mit ihm geübt.

Aber das Deutsche – Dimitri war mit 16 mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen, seit mehr als 20 Jahren arbeitet er hier bei einem Unternehmen, seine spätere Frau hat er hier kennengelernt und geheiratet – war noch tiefer verschüttet. Wohin mit der Zunge bei dem Wort "Tee"? Wie geht das "K"? Er schafft es nicht, sagt Anna und wischt sich ganz schnell die Tränen ab. Das macht sie automatisch, eigentlich darf sie gar nicht weinen: "Vor ihm sind wir immer stark, immer gut drauf", sagt sie. Sonst wird es auch für ihn noch viel schlimmer.

Denn er spürt natürlich, wie ohnmächtig er ist. Er, der Große, Starke, der immer so gern gelaufen ist, der im Wald unterwegs war und am Wasser, der sich für das Weltgeschehen interessiert hat und fix in allen technischen Sachen war, der seine Pflanzen geliebt und gepflegt hat, der mit seinem Freund in der Werkstatt herumgeschraubt hat. "Jetzt", erzählt Anna, "lese ich ihm was vor." Oder sie versucht, mit ihm zu rechnen, wenn vor ihm drei Äpfel liegen und daneben noch zwei. Die fünf Finger zu zeigen, gelingt ihm nicht.

Neben all dem Bemühen und Füttern und mehreren Therapiestunden täglich, neben den durchbrochenen Nächten, weil Dimitri selbst Angstträume hat, weil auch sein Blasenmuskel nicht funktioniert, neben der Angst, dass er selbst den einen Schritt vom Rollstuhl zum Sofa nicht schafft und stürzt – neben all dem muss Anna immer wieder kämpfen.

Um das Geld von der Krankenkasse, das erst mit der Hilfe eines Anwalts kam. Um Pflegestufe und Pflegegeld, um eine richtig angepasste Schiene für den rechten Fuß, der nicht nur bewegungslos ist, sondern auch verkrampft und in Schiefstellung ist. Die Schiene passt immer noch nicht, trotz vieler Termine, für die sie ihren Mann extra mit nach Nürnberg zur Werkstatt des Sanitätshauses gefahren hat. Die Krankenkasse wird eine neue Anpassung sicher nicht bezahlen, vermutet Anna. Schon bei der – untauglichen – ersten Schiene habe man sich lange gesträubt.

Kampf um Krankengeld verloren

Den Kampf ums Krankengeld hat sie verloren. Statt es eineinhalb Jahre lang zu bekommen, habe der medizinische Dienst ihrem Mann bereits nach einem Jahr beschieden, dass er jetzt die Berufsunfähigkeitsrente beantragen müsse. Ein halbes Jahr weniger Krankengeld. Für die Familie heißt das, es fehlt dringend nötiges Geld. Und für die Psyche fehlt es auch an ganz vielem – nicht nur Dimitri, sondern auch Anna, ihrer Tochter und ihrem Sohn. Ein eigenes Leben hat niemand von ihnen.

Wie es weitergeht? Anna weiß es nicht, aber sie lächelt tapfer und wischt sich nochmal schnell eine Träne von der Wange. "Ich hoffe einfach immer weiter. Die Hoffnung stirbt zuletzt."

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