ENA zieht Bilanz zum 30. Jubiläum
Von „Pleite vorgezeichnet“ bis „Bedarf enorm“: So wichtig ist Roths Energieberatungsagentur heute
12.1.2025, 11:00 UhrEs war zur damaligen Zeit ein richtungsweisender Beschluss, als der Kreistag grünes Licht gab: Am 1. Januar 1995 startete im Landkreis Roth die bayernweit erste kommunale Energieberatungsagentur, kurz ENA. Von vielen anfangs belächelt, wird heute, 30 Jahre später, deutlich, wie weitsichtig dies war. "Ideen und Beweggründe sind aktueller denn je", schreibt das Landratsamt in einer Mitteilung zum Jubiläum.
Heute gibt es Tage, an denen Dieter Tausch, technischer Leiter der ENA, und seine Mitstreiter gar nicht wissen, wo sie anfangen sollen. "Der Beratungsbedarf ist enorm gestiegen", berichtet der Ingenieur. Und die Fragen werden immer komplexer.
Kooperation mit dem Landkreis Nürnberger Land
Das spiegelt den Weg der ENA wider, der mit einem Mitarbeiter und einer Wochenarbeitszeit von acht Stunden begann. Allerdings stellte sich schnell heraus: Die Nachfrage übersteigt das Budget bei weitem. Als Lösung wurde im November 1997 eine Kooperation mit dem Kreis Nürnberger Land geschlossen. 2009 übernahm der Landkreis Roth dann wieder die alleinige Verantwortung, seitdem fungiert die ENA als GmbH.
Beratungen sind das Kerngeschäft der ENA. Bereits im Gründungsjahr waren es rund 360. Die aktuelle Zahl liegt bei über 800 (im Jahr 2024; hinzu kommen fast 2000 Telefonkontakte), die meist nicht im Büro stattfinden, sondern an Ort und Stelle oder den Rathäusern der Gemeinden. Eine Dienstleistung, die gut angenommen wird, spart sie vielen doch den Weg "ins Amt". Dabei hatte die ENA – auch das gehört zu ihrer Geschichte – anfangs durchaus mit Gegenwind zu kämpfen, bis hin zur Prognose "Pleite vorgezeichnet".
An "die Agentur" geglaubt
Aber es kam anders. Nicht zuletzt, weil die Männer der ersten Stunde an die Idee glaubten: Ex-Landrat Herbert Eckstein, Michael Stöhr, Peter Zogg und Erwin Schilling, der "die Agentur" am 2. Januar 1995 aufsperrte und viele Jahre deren Gesicht war. Anfang der 1990er Jahre seien "Energieberater noch belächelt worden", berichteten die Pioniere. Klar: Die Energiepreise waren noch kein großes Thema, und wer setzte sich damals schon mit alternativen Heizprogrammen auseinander?
Heizen, Dämmen, Fenster oder Türen tauschen, Wärmepumpen, Photovoltaik-Anlagen, Stromeffizienzberatungen und, und, und: Aus Dieter Tausch und seinem Kollegen Jan Graeber sprudeln die Themen nur so heraus. Dabei war und ist das ENA-Spielfeld um ein Vielfaches größer. Neben der Beratung stellen Dieter Tausch und seine Kollegen Energieausweise aus, helfen bei der Wahl von Dämmstoffen oder führen durch den Förderdschungel. Das können Einzelmaßnahmen sein, für die es Geld vom Staat gibt, oder ein energieeffizienter Neubau nach KfW-Standard.
"Dann haben wir noch keinen Vortrag angeboten, keine Veranstaltung oder Messe besucht und uns nicht fortgebildet", umreißt Tausch das Arbeitsspektrum. Denn nicht nur die immer komplexere Technik fordert die Berater, auch die rechtlichen Vorgaben. "Wir müssen uns ja 1a auskennen", unterstreicht er. Gerade angesichts der sich ständig ändernden Energiesparverordnung oder Einspeisevergütungen sei es gar nicht so leicht, am Ball zu bleiben.
"Von bestmöglicher Qualität"
Das aber ist der Anspruch von ihm und seinen Kollegen: "Die Beratungen sollen neutral, umfassend und von bestmöglicher Qualität sein." Im vergangenen Jahr lag der Schwerpunkt auf dem Austausch von Heizsystemen sowie Nachfragen zu Sanierungsmöglichkeiten und Fördermitteln. Ein großes Thema bleiben Photovoltaikanlagen. Neben gewerblichen und privaten Kunden unterstützt die ENA auch Städte und Kommunen, etwa bei ihren Förderprogrammen oder der Planung von Nahwärmenetzen.
Was aber haben die Bürger von der ENA? "Kostenlose, kompetente, umfassende und unabhängige Hilfestellung", sagt Dieter Tausch. Und: Werden Maßnahmen umgesetzt oder Einsparpotenziale genutzt, macht sich das im Geldbeutel bemerkbar. Oft kurz-, manchmal aber auch erst langfristig. Zusätzliche Gewinner: Natur und Umwelt.
Der Landkreis rief aber nicht nur die ENA ins Leben und schuf damit eine eigene Marke, er nahm sich auch selbst in die Pflicht. Beim Gymnasium Wendelstein wurde nahezu Passivhaus-Standard erreicht, PV-Anlagen auf kreiseigenen Gebäuden sind Standard, Holzhackschnitzel sind seit Jahrzehnten als Energieträger der beiden Heizwerke etabliert.
"Authentisch und aus Überzeugung"
Landrat Ben Schwarz zieht gleich dreifach den Hut. Zum einen vor der Arbeit der ENA und der Einstellung der hinter ihr stehenden Menschen. "Dass sie authentisch und aus Überzeugung agieren, ist zu spüren." Dann sind da diejenigen, die allen Unkenrufen und Hindernissen zum Trotz vor gut 30 Jahren die Vision umgesetzt haben. Und nicht zuletzt ist es die Idee an sich: Energiesparen fängt bei jedem selbst an – vorausgesetzt man weiß, wie. "Und genau da kommt die ENA ins Spiel."
Für Schwarz genießt die ENA zu Recht hohes Ansehen, "das hat sie sich über all die Jahre erarbeitet". Seiner Meinung nach hat sie einen großen Teil dazu beigetragen, dass im Landkreis ein tiefes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und die Notwendigkeit der Energiewende herrscht.
Meilensteine: 1997 erfolgte eine Nahwärmestudie für die Landkreis-Biomasseheizwerke am Schulzentrum und Weinbergweg in Roth. Energierundgänge an Schulen wurden etabliert. 2002 fand der erste Holzenergietag bei der Firma Rohm & Katheder in Hofstetten statt. Zwei Jahre später zeichnete die ENA verantwortlich für die Grundlagenplanung einer PV-Anlage auf der Deponie in Georgensgmünd. 2010 startete das Projekt "ENA macht Schule", das schon 2013 fast 1000 Jugendliche erreichte. Die Aktion "Energieeffiziente Vereine" bot ab dem Folgejahr kostenfreie Energieberatungen für Vereine und soziale Einrichtungen an. Gleichzeitig wurde das Leistungsangebot um Baubegleitungen erweitert, neu war zudem ein Ausleihservice für Strommessgeräte. Seit 2016 gibt es die sogenannten Thermografie-Streifzüge, 2020 startete die Mitwirkung am digitalen Energienutzungsplan für den Landkreis. Ein neuer Energieberater stärkt seit 2023 das Team, aus dem Vorjahr sticht der erste Energie- und Zukunftstag am Berufsschulzentrum in Roth heraus. Und die Zahl der Informationsveranstaltungen lässt sich kaum noch zählen: Energiesparverordnungen, Förderrichtlinien, LED, Wohnraumklima, Energieausweis, Schimmelberatung…
Wissenswertes aus 30 Jahren ENA
Erster technischer Leiter ist Erwin Schilling, für den 2009 Dieter Tausch übernimmt
Erste Kunden sind Helmut Harrer, Federhof, (privat), Schreinerei Brandl Hilpoltstein (gewerblich)
Großprojekte: Energieberatungen für die Erweiterung des damaligen Kreiskrankenhauses, dem Schulzentrum Spalt, der KJR-Jugendeinrichtung Stockheim
Zum Team gehören aktuell Geschäftsführer Lukas Brunner, Technischer Leiter Dieter Tausch, Energieberater Jan Graeber, Verwaltungskraft Bianca Dörr sowie die externe Partner Roland Nachtmann, Achim Kretschmer, Sebastian Röger, Oliver Knaller und Daniel Mey
Das 30-jährige Bestehen möchte die ENA im Frühsommer mit einem Festakt begehen. Weitere Informationen gibt es auf der Seite des Landratsamts sowie telefonisch unter der Nummer (09171) 814000.
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