An die 100 Demonstranten auf "Schlüsselsuche"

Roth: Impfgegner und Querdenker "spazieren" mit bekanntem Rechtsradikalen

Patrick Shaw

Redaktion Schwabacher Tagblatt / Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung / Hilpoltsteiner Zeitung

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28.12.2021, 13:59 Uhr
Eher unspektakulär zogen die "Spaziergänger" durch die Rother Stadtmitte. Unter den Impfskeptikern, -gegnern und "Querdenkern" waren jedoch auch Rechtsradikale.

© Patrick Shaw, NN Eher unspektakulär zogen die "Spaziergänger" durch die Rother Stadtmitte. Unter den Impfskeptikern, -gegnern und "Querdenkern" waren jedoch auch Rechtsradikale.

Es ist eine undurchsichtige Mischung, die sich da am Montagabend gegen 18 Uhr in der Rother Stadtmitte zusammenfindet, um gegen die Corona-Maßnahmen Stimmung zu machen. In zwei Gruppen ziehen Impfskeptiker, Impfgegner, Corona-Leugner und "Querdenker" - die Polizei spricht tags darauf von etwa 100, die Veranstalter von 60 bis 70 - vom Marktplatz über den Kugelbühlplatz, den Sieh-Dich-Für-Weg und das Schloss zurück ins Zentrum. Eng beieinander stehende Aktivisten ohne Schutzmaske sind darunter, neugierige Sympathisanten, Familien mit Kindern - und bekannte Rechtsradikale,

Der bekannte Pegida-Aktivist Enriko Kowsky filmte die Diskussionen mit CSU-Bürgermeisterkandidat Hans-Günter Kraetsch auf dem Marktplatz.

Der bekannte Pegida-Aktivist Enriko Kowsky filmte die Diskussionen mit CSU-Bürgermeisterkandidat Hans-Günter Kraetsch auf dem Marktplatz. © Patrick Shaw

Überall in den Sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder Telegram haben Querdenker-Gruppen in den Tagen zuvor zu diesem "Spaziergang" in rund 120 bayerischen Städten und Gemeinden aufgerufen. Unter dem provozierend durchsichtigen Mäntelchen einer Suchaktion nach "dem Schlüssel vom Klaus" versuchen sie so, die reguläre Anmeldung ihrer Kundgebung zu umgehen. Und nicht nur sie: auch rechtsextreme Gruppierungen wie die fremdenfeindliche Pegida und die vom Verfassungsschutz beobachtete neonazistische Partei "Der III. Weg" verbreiten den Aufruf und schließen sich den Versammlungen an.

Bekannter Kopf von Pegida

So auch in Roth. Nicht alle "Spaziergänger" bekommen es mit, aber einer, der das Geschehen auf dem Marktplatz mit seinem Handy filmt und später vielfach ins Internet stellt, ist Enriko Kowsky. Hämisch macht er sich in dem Filmchen über den CSU-Bürgermeisterkandidaten Hans-Günter Kraetsch lustig, der das Gespräch mit den Demonstranten sucht und auf die rechtsextreme Unterwanderung der Aktion aufmerksam macht - dem Video nach zu urteilen allerdings nicht sehr erfolgreich. Keiner der Demo-Teilnehmer distanziert sich von den Rechten.

Wer dieser Enriko Kowsky ist? Er ist einer der drei Hauptorganisatoren von "Pegida Nürnberg" (neben den bekannteren Gesichtern Gernot Tegetmeyer und Michael Stürzenberger). Meist tritt er als Kameramann bei Veranstaltungen in Erscheinung, versuchte sich aber auch schon als Redner.

Besonders zynisch: Kowsky stellte zu Weihnachten ein Video mit einem musikalischen Weihnachtsgruß aus Georgensgmünd auf seine Facebook-Seite und die von Pegida Nürnberg. Mit nur wenigen Klicks im Internet findet man seine Verbindung zu der Rezatgemeinde: "Kowsky pflegte zumindest medial einen regen Austausch mit dem Reichsbürger Wolfgang P., der 2016 einen SEK-Beamten bei der Stürmung seiner Wohnung in Georgensgmünd erschoss", heißt es dort. Gleich unter dem Gmünder Video: Die "Weihnachtsbotschaft" von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke.

Staatsschutz ist eingeschaltet

Aus polizeilicher Sicht verläuft der "Spaziergang" unterdessen eher ereignislos. Weder gibt es Reden, noch Sprechchöre oder Banner - nur ein paar lautstarke Diskussionen und Versuche, Passanten in diese zu verwickeln. Eine kleine Gruppe von Beobachtern, die das Geschehen und die Durchsetzung der Kundgebung mit auswärtigen Rechten besorgt verfolgt, grenzt sich sichtbar durch das plakative Tragen von Mund-Nase-Masken von dem Teilnehmenden ab.

Die Rother Polizei ist nach Auskunft des zuständigen Präsidiums Mittelfranken durch die Aufrufe in den Sozialen Medien im Bilde und "nicht unbedingt überrascht". Mit mehreren Streifen begleitet sie die Aktion, muss aber nicht eingreifen. Auch sie bestätigt dem Präsidium zufolge die Unterstützung des "Spaziergangs" durch Pegida und den "III. Weg" und stellt "etliche auswärtige Kfz-Kennzeichen im Umfeld fest", deren Herkunft nun der Staatsschutz in Schwabach näher auf den Grund geht. Man wolle "mehr über das Teilnehmerfeld solcher Veranstaltungen wissen", erklärt die Pressestelle.

Keineswegs "spontan"

Zusammenfassend halte man die derzeitige Richtung der Corona-Proteste für eine "bedenkliche Entwicklung", heißt es von Seiten der Polizei. Oft seien es keine legitimen Demonstrationen mehr, sondern vorgeschobene "Spaziergänge" würden "instrumentalisiert, um das Versammlungsrecht in Anspruch zu nehmen". Spätestens, wenn - wie im aktuellen Fall - im Internet großflächig zur Teilnahme aufgerufen werde, greife dieses Recht aber nicht mehr, da diese Zusammenkünfte alles andere als "spontan" seien.

Die Polizei sei über diese Versuche und die entsprechenden Aktivitäten in den Sozialen Medien meist gut informiert, betont das Präsidium. Dennoch sei es schwierig, die Hintermänner zur Rechenschaft zu ziehen, da in der Regel kein offizieller Versammlungsleiter greifbar sei.

Für die Stadt Roth positioniert sich tags darauf auch der kommissarisch amtierende Bürgermeister Andreas Buckreus (SPD). "Jeglicher Extremismus hat in unserer Stadt keinen Platz", betont er. Zwar dürfe man Proteste gegen Corona-Maßnahmen nicht generell in eine Schublade mit Radikalismus stecken, "wir müssen aber aufpassen, dass Extreme die Demos nicht instrumentalisieren". Hilfreich sei dabei nicht zuletzt das Netzwerk "Roth ist bunt", mit dem die Kreisstadt bereits "ein klares Zeichen" gesetzt habe.

Sein Mitbewerber um den Rathaus-Chefsessel, Hans-Günter Kraetsch, kommentiert sein beherztes Mitdiskutieren auf dem Marktplatz gelassen. "Wir müssen im Gespräch bleiben", ist er überzeugt. Einem Teil der "Spaziergänger" seien seine Argumente offenbar egal gewesen, einige hätten sich ahnungslos gegeben oder lustig gemacht, andere aber durchaus auch das Gesprächsangebot angenommen. "Man muss den Leuten klar machen, was sie dort tun", so Kraetsch. Es gehe nicht darum, legitimen Protest zu unterbinden, aber dessen Instrumentalisierung durch Demokratiefeinde. Von ihnen gelte es sich klar und deutlich zu distanzieren.