Folge des Lockdowns
Massiver Personalmangel: "Long Covid" in der Gastronomie
27.8.2021, 06:03 Uhr„Sie können gerne hier Platz nehmen, müssen aber damit rechnen, dass sie drei Stunden auf das Essen warten“ – „Aber...“ – „Tut mir leid, wir sind heute nur zu zweit.“ So kann im Sommer 2021 ein Abend im Restaurant beginnen. Der Personalmangel trifft die gesamte Branche, Öffnungszeiten werden geändert, der Abhol- und Lieferservice – für viele Gaststätten eine existenzbewahrende Notlösung in den Monaten des Lockdowns – eingeschränkt oder ganz eingestellt. In der Mediziner-Sprache heißen die Spätfolgen einer Corona-Infektion „Long Covid“, im Kneipen-Jargon die Spätfolgen der Pandemie „Mittags geschlossen“?
Das stimmt, es gibt aber verschiedene Blickwinkel. Sylvia Lehmann, die Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststätten-Verbandes (Dehoga), hat die Mittagsruhe in ihrem Hotel-Restaurant in Schwanstetten nicht aus Personalmangel eingeführt, sondern weil zu dieser Tageszeit zu wenig Kundschaft kam, um rentabel zu wirtschaften.
Das Personalproblem ist ihrer Meinung nach nicht nur eine Nachwehe der Pandemie, sondern schwelt seit etlichen Jahren. Die Ausbildung im Gastrogewerbe hat nicht gerade den höchsten Status. Eltern, so Lehmann, drängen ihre Kinder, länger auf der Schule zu bleiben und andere Berufe zu ergreifen. Der DEHOGA betreibe deshalb seit Jahren Image-Pflege, der Dachverband „tut jede Menge auf Ausbildungsbörsen“. Der „Schwan“, das eigene Hotel, bekam heuer einen Lehrling als Hotelfachmann und einen dritten Koch-Azubi ab.
Gesucht: Die ganze Palette
Das hört sich bei Alexander Storl anders an. Der Chef des Restaurants „Waldblick“ (bei der TSG) in Roth hat nicht nur keinen Azubi gefunden, er sucht: einen Koch, zwei festangestellte Servicekräfte, Aushilfen, Küchenhilfen, Spülkräfte, Reinigungskräfte. „Früher“, so führt Storl an, „hat man gesagt, das ist eine Frage der Bezahlung, aber jetzt gibt es einfach einen Mangel an Personal.“
Während der langanhaltenden Schließungen in der Gastronomie hätten sich viele Leute in andere Branchen orientiert. Und bei nicht gerade attraktiven Arbeitszeiten und niedrigen Vergütungen sei es schon schwer, Neue zu motivieren. Zumal weitere Auszeiten nicht ausgeschlossen sind. Man versucht deshalb in Roth, in Zusammenarbeit mit dem Marketingbeauftragten, mit neuen Formen Schwung in die Sache zu bekommen. So hat man ein Speed-Dating mit Aushilfskräften ins Gespräch gebracht.
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Das ist noch ein wenig Zukunftsmusik. Jetzt sieht die Lage so aus: „Das Freizeitangebot für die Menschen ist noch niedrig, der Bedarf nach Monaten in den eigenen vier Wänden riesig. Der Zugang zu kulturellen Veranstaltungen ist begrenzt, die Frequenz in der Gastronomie deshalb sehr hoch“, rechnet Alexander Storl vor, „und alle suchen händeringend Personal“.
Chef schwer an Covid erkrankt
Mit guten Aussichten war sein Betrieb im Frühjahr aus dem Lockdown gekommen. Mit Liefer- und Abholservice hatte er die Durststrecke überbrückt. Doch kaum war der Restaurantbetrieb so richtig wieder angelaufen, legte ein Corona-Ausbruch einen Großteil der Belegschaft lahm. Der Chef selbst war mit einem schweren Verlauf betroffen, an dem er gesundheitlich noch immer zu knabbern hat.
Aber nicht nur daran, sondern auch am Catering-Geschäft: „Wir haben sehr viele Aufträge, können aber nur die Hälfte aufarbeiten.“ So musste Storl jüngst die Bewirtschaftung eines Betriebsfestes mit 150 Leuten absagen. Geld in die Werbung stecken? Der Dehoga hält eine professionelle Beratung neben einer guten Zusammenarbeit mit IHK und Arbeitsamt für eine probates Mittel Mitarbeiter zu gewinnen.
Generell müsse man der Personalsuche einen positiven Touch geben, sagt Sylvia Lehmann: Nicht mit den Worten „wir suchen“, sondern mit „wir bieten“ sollte eine Ausschreibung beginnen. Für noch wirkungsvoller hält sie eine gezielte Stellenbeschreibung. Mit einem „Wir bieten eine Stelle als Küchenhilfe werktags von 8 bis 12 Uhr!“ lande man eher einen Treffer als mit einem lapidaren „Küchenhilfe gesucht!“ auf einer Biergartentafel.
Was Werbung nicht ausbügeln kann, ist das Stadt-Land-Gefälle in Sachen Infrastruktur. Für Gastro-Personal, das auf dem Land tätig ist, kann der Weg von und zur Arbeit eine erhebliche Verlängerung der Zeit bedeuten, die man täglich vom Privatleben abknapsen muss. Oder man ist gezwungen, sich ein Auto anzuschaffen. Wer die Probe aufs Exempel machen will, der versuche mal, für eine Feierabend-Bedienung die gut 20 Kilometer zwischen Roth und Freystadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu organisieren.