Ökologie als Hauptkriterium
ICE-Werk: Der „Dialog“ überzeugt die Bürgerinitiativen nicht
10.12.2021, 06:04 Uhr„Im Bürgerdialog“, so Projektleiter Carsten Burmeister, „konnte das Projektteam nicht nur Fragen klären, sondern auch Impulse für die weitere Planung mitnehmen. Zahlreiche Menschen aus der Region haben uns in persönlichen Gesprächen ihre Anliegen geschildert. Gerade die Tests der ICE-Hupen lösen Sorgen aus. Dafür werden wir gemeinsam eine verlässliche Lösung finden. Die Menschen haben auch interessante Ideen für Verbesserungen ins Spiel gebracht.“
Die Bürger, so sie denn organisiert gegen die Ansiedlung des ICE-Werkes im Reichswald sind, haben eine völlig andere Sicht der Dinge. Barbara Dorfner, Sprecherin der BI Röthenbach/St.W., vermisst in dem „Dialog“ vollkommen den Umweltgedanken: „Wir kämpfen seither, dass alle drei Standorte nicht geeignet sind. Wir sehen ein, dass ein Werk gebaut werden muss, aber es ist uns unverständlich, wie eine ,grüne Bahn’ auf die Idee kommt, in den Wald rein zu bauen. Ob man die Pläne von oben, unten oder von der Seite betrachtet, sie durchschneiden immer ein Waldgebiet, besonders heftig ist das am Jägersee.“
"Klimaanlage von Nürnberg-Süd"
„Wir verteidigen hier die Klimaanlage von Nürnberg Süd“, verdeutlicht die Sprecherin der BI, die dieser Tage zum eingetragenen Verein wurde, und schiebt zur Kommunikation mit der Bahn nach: „Als Bürgerdialog empfinden wird das nicht, wir warten immer noch auf die schriftliche Beantwortung der Fragen, die wir im Oktober gestellt haben. Der Herr Burmeister beantwortet nur technische Fragen, die Naturverträglichkeit ist nicht sein Thema.“
Die BI Harrlach sieht einen leichten Erfolg ihrer Arbeit und verweist auf veränderte bundespolitische Konstellationen. Sprecherin Petra Seitz übersandte folgende Stellungnahme: „Die unablässige Kritik der Bürgerinnen und Bürger an den Plänen der Bahn hat offensichtlich ein gewisses Nachdenken bewirkt. Der geplante Abgabetermin der Unterlagen für das Raumordnungsverfahren wird nun um einen Monat verschoben. Dies sollte von der Bahn auch dazu genutzt werden, den bisherigen Suchprozess zu überdenken. In Betracht ziehen sollte man dabei auch die geänderten Machtverhältnisse im Verkehrsministerium, befindet sich doch die Bahn im Eigentum des Bundes.“
26 von 33 Kriterien gegen Harrlach
In der Sache hat sich für die Harrlacher durch die „konkretisierten Bewertungsräume“ nichts geändert: „Das bisherige Verfahren ließ jegliche Transparenz vermissen und war stattdessen von politischer Einflussnahme geprägt. Von ursprünglich 70 Standorten sind nur drei übriggeblieben, die wir alle für ungeeignet halten. Die Bahn hat 33 Standortkriterien definiert, von denen 26 gegen Roth-Harrlach sprechen. Demnach hätte dieser Standort längst aus der Auswahl herausfallen müssen, dies ist jedoch nicht geschehen. Das weckt erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Transparenz des Verfahrens. Hier ist ein Neustart des Verfahrens erforderlich.“
Wie die Röthenbacher BI fordert die Harrlacher, dass „ökologische Kriterien stärker oder zumindest gleichgewichtig mit ökonomischen Kriterien in die Standortwahl eingehen“ müssen: „Angesichts des Klimawandels fordern wir unverändert, dass Standorte auf bereits versiegeltem Boden gefunden werden müssen. Es reicht nach Ansicht unserer BI nicht aus, lediglich einige Details in Planung und Ausführung des ICE Werks zu ändern. Das Grundproblem bleibt ja bestehen, nämlich die Wahl ungeeigneter Standorte mitten im Bannwald, der Abholzung von mindestens 45 Hektar Wald und großflächige Zerstörung eines nach EU-Recht geschützten Vogelschutzgebiets, um nur die wesentlichen Kritikpunkte zu nennen. Bei dem Standort Roth-Harrlach kommt die Lage direkt im Wassereinzugsgebiet der Stadt Fürth hinzu.“
Alles auf Null stellen?
Am besten alles auf Null stellen? Das wäre für die Harrlacher BI die Lösung: „Wir halten eine grundlegende Neuorientierung für dringend erforderlich. Die erstrebenswerte Verkehrswende darf nicht dazu führen, dass Pläne der Bahn als ,alternativlos’ gelten und alle anderen Umweltkriterien außer Acht gelassen werden. Eine echte Verkehrswende und damit angestrebte Kohlendioxid-Reduzierung kann nicht mit der Abholzung von 45 Hektar Bannwald erreicht werden, ist doch der Wald einer der wichtigsten Kohlendioxid-Speicher.“
Auch die Politik vor Ort beeindruckt die Umzeichnung der Pläne nicht gerade. Der amtierende Rother Bürgermeister Andreas Buckreus lässt verlauten: „An unserer Grundausrichtung hat sich durch die mögliche Veränderung bei der Grundfläche erst einmal nichts verändert."
„Buckreus weiter: Das geplante ICE-Werk bei Harrlach würde nach wie vor in einen intakten Bannwald eingreifen, und es wären enorme Flächen zur Verfügung zu stellen, die Ver- und Entsorgung sind dadurch auch noch nicht geklärt. In der November-Sitzung des Stadtrats wurde der Beschluss getroffen, dass wir als Stadt juristischen Beistand hinzuziehen können. Und das werden wir auch tun, besonders wenn es ab Januar ins Raumordnungsverfahren geht, bei dem wir als beteiligte Kommune zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert werden, um Einwände und Anregungen rechtssicher vortragen zu können.“
Ähnliche Töne sind aus dem Wendelsteiner Rathaus zu hören, wo der Leiter des Bürgermeisteramtes Norbert Wieser auf die Beschlusslage des Marktgemeinderates vom Mai verweist, als hohe Hürden aufgestellt wurden mit der Bedingung, das Muna-Gelände zu Entmunitionieren. Das südliche Areal sei völlig tabu: „Da wehren wir uns vehement.“
Leitschienen gelten nicht mehr
Verwundert hat man das Vorgehen der Bahn verfolgt im Vorstadium des Raumordnungsverfahrens, das eigentlich noch in diesem Jahr eingeleitet werden sollte: „Theoretische Leitschienen gelten wenige Tage später schon nicht mehr.“ Der Marktgemeinderat werde „die neuen Pläne sicher zeitnah diskutieren und beraten“, so Wieser, und eine Stellungnahme abgeben, wenn er dazu aufgerufen ist.