Immer mehr Gewerbegebiete
Auf Jahrzehnte „verbraten“: Bund Naturschutz kritisiert massiven Flächenfraß im Landkreis Roth
7.10.2024, 15:40 UhrIn Bayern werden täglich gut 120.000 Quadratmeter freie Landschaft in Bauland für Wohn- und Gewerbegebiete oder Straßen umgewandelt. 2019 wollte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger mit freiwilligen Maßnahmen den Verbrauch auf 50.000 Quadratmeter (fünf Hektar) am Tag verringern. "Passiert ist genau das Gegenteil", kritisiert nun der Bund Naturschutz (BN) im Landkreis Roth. "Die versiegelten Flächen stiegen in den letzten Jahren kontinuierlich an, auf zuletzt gut zwölf Hektar pro Tag." Auch im Kreis Roth sinke der Flächenverbrauch nicht.
So plane die Marktgemeinde Allersberg nach wie vor die Ansiedelung eines Amazon-Sortierzentrums. "Über 30 Hektar für ein Gewerbegebiet, noch dazu am Rand eines Wasserschutzgebiets, einem global agierenden Investor zu opfern, ist nicht nachhaltig und zeitgemäß", warnen die Naturschützer. "Nach dem Vorschlag des verstorbenen CSU-Bundestagsabgeordneten Josef Göppel, den Flächenverbrauch vernünftigerweise an die Bevölkerungszahlen der Kommunen zu koppeln, gäbe es für jede Gemeinde verbindliche Budgets, wenn das Fünf-Hektar-Tagesziel eingehalten werden soll", erklärt der stellvertretende BN-Kreisgruppenvorsitzende Stefan Pieger.
30 Hektar Verbrauch - das sei indes "fast das gesamte Budget des Landkreises für zwei Jahre". 17 Hektar im Jahr entsprächen hier dem landesweiten Fünf-Hektar-Tagesziel. Allersberg selbst hätte mit seinen 8000 Einwohnern Anspruch auf etwa einen Hektar im Jahr. Die Gemeinde "verbrät dafür also Flächen für die nächsten 30 Jahre", so der BN. "Neue Wohnbau- und Gewerbeflächen belegen nochmal über 15 Hektar."
Ein gemeinschaftliches Gewerbegebiet, aber trotzdem sehr viel Fläche
In Georgensgmünd ist ein gemeinsames Gewerbegebiet mit den Nachbarkommunen Spalt und Röttenbach auf über 20 Hektar Fläche geplant. "Die Fläche ist fast vollständig von Wald bestanden, der wichtige Funktionen für Trinkwasserneubildung, Lokalklima und Naherholung hat", moniert der BN hier. Sehr wichtig sei es, den Wald als natürlichen Speicher für Treibhausgase zu erhalten, wie es auch im Landesentwicklungsplan festgeschrieben ist: "Bei Konflikten zwischen Raumnutzungsansprüchen und ökologischer Belastbarkeit ist den ökologischen Belangen Vorrang einzuräumen." Das Flächenbudget der drei Gemeinden beträgt dem BN zufolge nur rund zwei Hektar pro Jahr. In Gmünd gebe es damit westlich der Pleinfelder Straße über 100 Hektar Gewerbeflächen sowie weitere 180 Hektar an Wohnbauflächen (ohne Ortsteile).
Die Stadt Roth weist laut BN neun Hektar neue Bauflächen auf der grünen Wiese am Krankenhaus aus. Außerdem wird das ehemalige Leoni-Gelände mit 10 Hektar in ein Wohngebiet umgewandelt. Dazu kommt die Planung des neuen Bauhofs im Bannwald mit drei Hektar - "obwohl es rund 40 Hektar, also 400.000 Quadratmeter, baureife Grundstücke in der Stadt und den Ortsteilen gibt", bemängeln die Umweltschützer. Allein mit diesen nehme die Stadt ihr Flächenbudget über zehn Jahre in Anspruch und dürfte keine weiteren Bauflächen ausweisen.
Die Stadt Heideck plant laut BN ein 14 Hektar großes Gewerbegebiet mitten im Wald, im EU-Vogelschutzgebiet und im Landschaftsschutzgebiet. "Europäische Vogelschutzgebiete gehören zu den am stärksten zu schützenden Lebensräumen Europas", erläutert der BN-Kreisverband. "Seit etwa 30 Jahren bauen die Staatsforsten diesen Staatswald in einen artenreichen, zukunftsfähigen Mischwald um. Nun soll dieser vitale, intakte Wald für das Gewerbegebiet Kohlbuck abgeholzt werden." Das Flächenbudget für Heideck mit seinen knapp 5000 Einwohner beträgt den Naturschützern zufolge etwa 0,6 Hektar pro Jahr und wäre damit für mehr als 20 Jahre ausgeschöpft.
Rednitzhembach ist mit 25 Prozent Bebauung Spitzenreiter beim Flächenfraß
In Röttenbach-Mühlstetten wurden laut BN in den vergangenen Jahren etwa 50 Hektar Gewerbegebiet ausgewiesen. Rednitzhembach habe zuletzt seine Gewerbeflächen massiv ausgeweitet und stehe aktuell nach Angaben des Landesamts für Statistik mit einer Bebauung von 25 Prozent der Gemeindefläche an der Spitze des Flächenfraßes im Landkreis.
BN-Kreisvorsitzende Beate Grüner: "Die Kommunen stehen in der Verantwortung, mit Grund und Boden sparsam umzugehen. Die Vorschläge des Gemeindetags zur Innenentwicklung und zum Flächensparen müssen umgesetzt werden. Danach würden Kommunen zum Beispiel Zugriffsmöglichkeit auf Bauruinen bekommen, eine erhöhte Grundsteuer auf gehortete Grundstücke erhoben und die Aufgabe landwirtschaftlicher Gebäude in Ortskernen steuerlich nicht mehr als überführtes Betriebsvermögen behandelt werden." Die geplanten Vorhaben verdeutlichen Grüner zufolge, "dass sich viele Kommunen im Landkreis Roth in keiner Weise um die notwendige Eindämmung des Flächenfraßes bemühen". Wachstum und Ökonomie erhielten stets den Vorzug vor Natur-, Arten- und Klimaschutz, ohne Rücksicht auf die Folgen für folgende Generationen.
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