Ukrainerin in Roth bangt um ihre Familie

Angst um die Liebsten im Kriegsgebiet

Carola Scherbel

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24.2.2022, 16:37 Uhr
Angstvoll wartet Yevheniia Frömter auf neue Nachrichten aus der Ukraine, ihrer Heimat.   

© Frömter, NN Angstvoll wartet Yevheniia Frömter auf neue Nachrichten aus der Ukraine, ihrer Heimat.   

Wie geht es ihren Eltern, ihren Geschwistern? Die ganze Familie ist daheim in Dnepr – „da, wo geschossen worden ist“. Fast alle ihre Freunde leben in Kiew, wo Yevheniia neun Jahre lang gewohnt hat. „Am liebsten hätte ich alle gern hier bei mir in Deutschland“, sagt sie leise.

Denn „in der Ukraine gibt es jetzt keinen sicheren Ort mehr“. Das haben ihr Freunde am Morgen nach dem Angriff geschrieben. Sie sitzen schon auf gepackten Taschen, das Auto ist vollgetankt. Aber sie warten noch.

2000 Dollar in der Tasche

Ihr Bruder, er ist 29 Jahre alt, will gerade seine Frau mit der zweijährigen Tochter über die Grenze nach Polen bringen lassen Er selbst bleibt aber zurück, um sein Land zu verteidigen. „Das kann ich verstehen“, sagt Yevheniia. Aber sie kann auch das befreundete Paar verstehen, das mit 2000 Dollar in der Tasche gerade auf dem Weg zur polnischen Grenze ist. Mit dem Geld soll der Grenzbeamte überzeugt werden, dass er den Familienvater nach Westen fahren lässt. „Denn nach der ersten Teilmobilmachung hat Präsident Selenskyj inzwischen alle – Mann und Maus und alle, die laufen können – aufgefordert, bei der Verteidigung des Landes zu helfen.“

Yevheniia Frömter ist selbst erst vor fünf Jahren nach Deutschland gekommen – der Liebe wegen. Hier ist jetzt ihre neue Heimat, auch wenn es lang gedauert hat bis zu diesem neuen Heimatgefühl, erzählt sie.
Inzwischen will sie nicht mehr weg aus Deutschland – aber zurück in die Ukraine könnte sie jetzt nicht einmal mehr zu Besuch fahren. Vor Kurzem hatte sie noch überlegt, zu ihrer Familie heim zu fliegen. Wer weiß, wann sie ihre Eltern und ihre Geschwister wiedersieht? „Mein Großonkel hatte heute früh fast einen Herzinfarkt“, weil er so geschockt war von der Nachricht. Er liegt noch im Krankenhaus.

Geschockt war sie auch – sie habe so gehofft, dass alles noch gut wird, als Bundeskanzler Scholz bei Putin saß. Freilich wusste sie schon 2014, als Russland die Krim annektierte, dass das unrechtmäßig war. „Aber es hat sich weiter weg angefühlt als jetzt.“
Die Angst um geliebte Menschen fühlt sich jetzt viel realer an. „Viele Freunde sind in den Freiwilligen-Gruppen, sie gehen jetzt raus und unterstützen die Regierung bei Aktionen, damit die Bevölkerung nicht in Panik gerät und nicht noch mehr Fake News verbreitet werden.“

Besessener Stratege

Die Angst sitzt auch direkt neben ihr: Eine ukrainische Freundin von Yevheniia besucht sie gerade und schaut mit ihr gemeinsam auf die neuesten Meldungen. Auch die Freundin wohnt hier in Deutschland, in der Nähe von Greding, aber ihr Sohn lebt in Kiew. Deshalb will die Freundin lieber nicht sagen, wie sie heißt und ihr Gesicht nicht in der Zeitung sehen. Die Angst ist nämlich begründet, findet Yevheniia: „Putin ist nicht dumm, wie manche sagen. Er ist ein besessener Stratege - wie ein Schachspieler, der viele Züge vorausplant.“

Damit all das schnell vorbei ist, wünscht Yevheniia sich einerseits, dass Deutschland hilft: „Die ukrainische Armee braucht Unterstützungn, weil sie allein gar nicht in der Lage ist sich zu verteidigen.“ Andererseits: „Wenn Deutschland Waffen schickt, dann kommt der Krieg zu uns hierher.“


Trotzdem: „Wenn mein Bruder und meine Freunde in diesem Krieg sterben müssen, dann sagt man, dass auch Deutschland daran schuld ist. Ich weiß einfach nicht, was richtig ist.“

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