![Edeltraud Friedmann zündet im Karner der Sankt Anna Kapelle in Waischenfeld eine Kerze zur Wertschätzung und Erinnerung für die Toten an. „So wie wir die Toten ehren, so gehen wir mit den Menschen um“, sagt sie. Edeltraud Friedmann zündet im Karner der Sankt Anna Kapelle in Waischenfeld eine Kerze zur Wertschätzung und Erinnerung für die Toten an. „So wie wir die Toten ehren, so gehen wir mit den Menschen um“, sagt sie.](https://images.nordbayern.de/image/contentid/policy:1.12357102:1658236758/image/e-nn-peg-20220719_084826-2.jpg?f=16%3A9&h=816&m=FIT&w=1680&$p$f$h$m$w=8a4460f)
Erweckung zu neuem Leben?
Waischenfelder Sankt Anna Kapelle macht einsamen Eindruck
„Die Sankt Anna Kapelle stammt vom Ende des 13. Jahrhunderts und ist älter als unsere Pfarrkirche. Erstmals erwähnt wird sie auf alten Kirchenrechnungen 1509“, berichtet Edeltraud Friedmann, die Waischenfelder Religionspädagogin. Früher war das Kirchlein vermutlich die Burgkapelle und hatte eine Verbindung zur benachbarten, höher gelegenen Burg. Heute existiert allerdings kein öffentlich zugänglicher Gang mehr.
Störung der Totenruhe
Im Untergeschoss des schlichten romanischen Baus der unauffälligen Kapelle ist es still. Ein Gitter schützt die Totengebeine vor Tieren und eine Kerze, die Edeltraud Friedmann achtsam anzündet, spendet ein kleines Licht zum Gedenken.
![Die Sankt Anna Kapelle stammt vom Ende des 13. Jahrhunderts und ist damit älter als die Pfarrkirche von Waischenfeld. Die Sankt Anna Kapelle stammt vom Ende des 13. Jahrhunderts und ist damit älter als die Pfarrkirche von Waischenfeld.](https://images.nordbayern.de/image/contentid/policy:1.12355078:1658231565/image/e-nn-peg-20220719_085026-9.jpg?f=3%3A4&h=900&m=FIT&w=675&$p$f$h$m$w=5eee98b)
„Das Beinhaus ist ein massives, kellerartiges Gewölbe, auf dem die Kapelle gebaut ist. Hier unten werden die Gebeine des 1837/38 aufgelösten alten Friedhofes, der sich um die Pfarrkirche befand, aufbewahrt. Ein Gitter war nötig, weil Menschen und Tiere Gebeine mitnahmen und die Totenruhe störten", berichtet die Religionspädagogin.
Der frühere Kirchenpfleger Baptist Knörl hat nun, angeregt von Pfarrvikar Dominik Syga und unterstützt vom Kirchenpfleger Stephan Keller, ein Tor - mit einem Christuskorpus aus einem alten Kreuz gewonnen – gefertigt und angebracht. Friedmann kennt die Kapelle schon lange und hat vor Jahren bereits eine Hausarbeit darüber verfasst.
Im verschlossenen Inneren der eigentlichen Kapelle überrascht die massive, dunkle Rundbogendecke, die sich um die alte renovierungsbedürftige Mauer legt. "Von ungefähr 1660 stammt der frühbarocke Altar mit den Säulen und dem Knorpelwerk“, berichtet Friedmann. „Das Altarbild, eine Darstellung von Mutter Anna Selbdritt, wurde vom damaligen Pfarrer Michael Storcher in Öl selbst gemalt. Dieser Geistliche wirkte in Waischenfeld von 1859 bis 1864.“
![„Für mich ist es Heimat“, sagt Anton Adelhardt, der eine Broschüre über die Stadtkapelle Waischenfeld zum Jubiläumsjahr verfasst hat. „Für mich ist es Heimat“, sagt Anton Adelhardt, der eine Broschüre über die Stadtkapelle Waischenfeld zum Jubiläumsjahr verfasst hat.](https://images.nordbayern.de/image/contentid/policy:1.12357103:1658236759/image/e-nn-peg-20220719_085026-2.jpg?f=16%3A9&h=480&m=FIT&w=900&$p$f$h$m$w=6084f53)
Glocke aus dem 14. Jahrhundert
Die Glocke, die nicht mehr läutet, stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Der Innenraum – schlicht und besonders – macht einen einsamen Eindruck. „Es wäre schön, wenn sich diese Kapelle wieder zu einem Gottesdienstraum erwecken würde“, wünscht sich die Religionslehrerin. Mit ihren Schulklassen besucht sie jedes Mal den besonderen Ort. „Für die Kinder ist das eine spannende Unterrichtsstunde. Da bekomme ich auch viele Fragen, die ich gerne beantworte“, berichtet Friedmann.
So wie mit den Menschen
Es sind Fragen wie: Sind das echte Menschen? Oder: Warum sind die Menschen nicht beerdigt? „Ich versuche, die Kinder zu sensibilisieren. Es ist ein Blick auf das Vergangene, aber auch auf unser Leben." Die Kinder interessiere auch das Ossarium (Beinhaus). "Ich erzähle ihnen dann, dass es bei der Auflassung des Friedhofes nicht mehr möglich war, die Knochen den einzelnen Verstorbenen zuzuordnen und auch von der Wertschätzung gegenüber den Toten. So wie wir die Toten ehren, so gehen wir mit den Menschen um.“
Langsam verschließt sie die neue Eisentür und das kleine Lichtlein leuchtet still und behaglich weiter. „Die Kapelle hat schon so viel gesehen. Mein Wunsch ist, dass diese Kapelle wichtige Geldspender findet, restauriert und wieder zum Gebetsort wird.“ Im neuen Flyer zu den Bierwanderungen anlässlich der 900-Jahrfeier ist die Sankt Anna Kapelle in der Tour zwei ein Besichtigungspunkt. Das ist eine Wertschätzung für den außergewöhnlichen, stillen Ort.
Weiter unten, mitten in der Stadt, bewegt sich ein reges Treiben in der Sutte nahe dem Bischof-Nausea-Platz an der Stadtkapelle Sankt Laurentius und Sankt Michael. Anton Adelhardt, der Schirmherr der 900-Jahr-Feierlichkeiten, kennt die frisch restaurierte Gebetsstätte von Kindesbeinen an. „Mit acht Jahren habe ich den Blasbalg getreten", erinnert sich der 81-Jährige. "Später, als ich im Internat war, durfte ich hier auch die Orgel spielen. Mit der Stadtkapelle bin ich fest verwurzelt.“
Nun liegt eine von ihm verfasste, umfangreiche Chronik vor, die die Geschichte der Stadtkapelle interessant wieder aufleben lässt: „Es ist ein kleines Büchlein“, schmunzelt der ehemalige Ministerialdirektor im Landwirtschaftsministerium. Dafür hat er über drei Monate Material gesammelt, bebildert und gestaltet. Interessant ist die Geschichte der Stadtkapelle allemal.
Von der Pest verschont
Gebaut wurde sie damals mit den Opfern und Ersparnissen der Menschen, die unmittelbar um das heute hoch geschätzte und neu sanierte Gotteshaus lebten und arbeiteten. Die erste Kapelle wurde in der Sutte - dem Namen nach dem tiefergelegten, abfallenden Gelände - errichtet. „Der Überlieferung nach soll die erste Kapelle – erstmals 1482 urkundlich erwähnt - als Dank dafür errichtet worden sein, dass Waischenfeld von der Pest verschont geblieben war“, erklärt Adelhardt.
1632 wurde die Stadtkapelle im 30-Jährigen Krieg – wie die ganze Stadt – verwüstet und zerstört. „Nach der Verwüstung durch die Schweden hat man 1641 mit der einfachen und notdürftigen Wiederherstellung begonnen“, schildert er. Soweit es das zur Verfügung stehende Material erlaubte, wurde Zug um Zug das Gotteshaus in der heutigen Form aufgebaut.
Nach Kassenlage
„Je nachdem, wie es die Kassenlage erlaubte, wurde in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts die künstlerische und stimmungsvolle Ausstattung durch die Altarwerkstatt des Johann Michael Doser eingebaut, wie die Säulen im weiterentwickelten korinthischen Stil und die talerförmigen Wolken, beschreibt Anton Adelhardt. Die Stadtkapelle gleicht einer historischen Schatzkiste. So stammt die Figur der heiligen Anna Selbdritt, der Großmutter Jesu mit Maria als Kind und dem Jesuskind auf dem Schoß, noch aus der Zeit um 1510/15. Sie hing ursprünglich in der Annakapelle.
Ein weiterer Schatz ist die Rosenkranzmadonna im Triumphbogen. Diese Schnitzerei entstand zwischen 1720 und 1730. Wer die Chronik kennt, wird mehr und mehr neugierig. Die letzte große aufwändige Renovierung – wieder ein Kraftakt - betrafen das Dach und die Dachstuhlerneuerung 2020/21.
Auch heute suchen die Waischenfelder „ihre“ Kapelle im Kessel zu Gottesdiensten, stillen Gebeten, Meditation und nach Wallfahrten gerne auf. Und in der Vorweihnachtszeit lockt die liebevoll gestaltete Weihnachtskrippe, die jedes Jahr wächst.
„Für mich ist es die Heimat“, bekennt der gebürtige Zeubacher Anton Adelhardt, der heuer Schirmherr der Festveranstaltung 900 Jahre Ersterwähnung von Waischenfeld ist. „Waischenfeld besitzt hier ein Kleinod, das von den Bürgern und den Gläubigen in besonderem Maße geschätzt und in Ehren gehalten wird."
Der Bau und seine besondere Ausstattung zeugten von künstlerischem Sachverstand und einer großen Opferbereitschaft. Die Vorfahren hätten damals unter großen Mühen und Anstrengungen ein würdiges Gotteshaus geschaffen und die Empfänger bewiesen heute, dass sie sich ihrer Verpflichtung bewusst sind, dieses auch an die kommenden Generationen in einem würdigen Zustand weiterzugeben.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen