Weißenburg übernimmt die Vorreiterrolle

Oechsler will CO2-neutral werden

9.8.2021, 13:09 Uhr
Oechsler will CO2-neutral werden

© Robert Maurer, NN

Die Erkenntnisse, die man hier gewinnt, sollen in der Folge auf die anderen Standorte übertragen werden, kündigte Finanzvorstand Michael Meyer an. Es geht dabei um die Art der verarbeiteten Kunststoffe ebenso wie um eine möglichst effiziente Produktion oder auch um die Energie, die man dabei verbraucht, erklärte Niklas Hopf, der die Umsetzung federführend betreut. Ein Baustein dabei wird eine Photovoltaikanlage sein, um eigenen grünen Strom zu produzieren.

Mit dem Vorhaben am Weißenburger Werk beteiligt sich das Kunststoffunternehmen mit Hauptsitz in Ansbach an der Unternehmerinitiative Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität für Altmühlfranken (kurz: UNNA). „Da sind wir ganz aktiv dabei“, so Meyer. UNNA versteht sich selbst als Plattform für einen Austausch zur Weiterentwicklung von Unternehmen. Vor allem die Kunststoffindustrie, deren Image in den vergangenen Monaten erheblich gelitten hat, soll unterstützt werden.

Kunststoff galt über Jahrzehnte als Allheilmittel, weil man ihm je nach Einsatzzweck die erforderlichen Eigenschaften durch Beimengung von Additiven übertragen konnte. Doch inzwischen ploppen bei vielen Menschen beim Begriff Kunststoff sofort im Kopf auch Mikroplastik, Umweltbelastung und schwer abbaubar auf.

Kunststoff wird wichtig bleiben

Oechsler-Vorstandsvorsitzender Dr. Claudius Kozlik verweist darauf, dass es längst Kunststoffe gibt, die bestens recyclingfähig oder auch gut biologisch abbaubar sind. Er ist von dem Material noch immer überzeugt. Muss er als Oechsler-Chef wohl auch sein. „Kunststoff ist ein wesentlicher Bestandteil unserer DNA“, sagt er.

Oechsler will CO2-neutral werden

© Robert Maurer, NN

Dementsprechend setzt man bei neuen Produkten auch in vielen Fällen auf Kunststoff. Aber nicht nur. In Weißenburg hat man in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit einem speziellen Spritzgussverfahren für Keramik gesammelt. Die Produkte, die so entstehen, sehen edel aus und haben eine hochwertige Haptik. Sie kommen beispielsweise als Schalthebel in teuren Limousinen zum Einsatz.

Die Technik hat man nun auf Metall übertragen, erklärte Meyer. Somit kann Oechsler nun auch Metallprodukte im Spritzgussverfahren herstellen. Das hilft dabei unabhängiger von Zulieferern zu werden, weil Oechsler damit auch Metallteile selbst herstellen kann.

Oechsler will CO2-neutral werden

© Robert Maurer, NN

Denn auch Oechsler bekommt die Lieferengpässe auf dem Weltmarkt zu spüren. Kunststoffgranulate und andere Materialien werden knapp. Doch noch stärker trifft es die Kundschaft von Oechsler. Die Automobilindustrie kann aktuell nicht so viel Autos bauen, wie nachgefragt werden, weil es an Halbleitern fehlt. Gibt es das Auto nicht, verkauft Oechsler auch keine elektronische Feststellbremse dafür. Das ist die logische Folge.

Im vergangenen Jahr ist der Umsatz des Konzerns um 20,5 Prozent auf 378,2 Millionen Euro zurückgegangen – nach Jahren stetigen Wachstums. Die Pandemie wird die weitere Entwicklung des Unternehmens sicher noch bis ins nächste Jahr hinein prägen, fürchtet Kozlik.

Die Automobilbranche ist mit gut 60 Prozent des Umsatzes (im vergangenen Jahr 233,5 Millionen Euro) das wichtigste Standbein für Oechsler. Der hat im vergangenen Jahr am stärksten gelitten. Im Bereich Gesundheit (Healthcare) hat Oechsler hingegen von 13,9 auf 16,3 Millionen Euro zugelegt. Unter anderem stellt Oechsler Baugruppen- und Einzelkomponenten für Inhalier- und Blutzuckermessgeräte sowie andere Geräte mit integriertem Display her.

3D-Druck bringt Innovation

Auch im Geschäftsbereich „Innovative Solutions“ (auf Deutsch etwa: neuartige Lösungen) gab es ein Minus von 21,9 Prozent auf 128,3 Millionen Euro. Das hat Oechsler zufolge aber vor allem mit Einmaleffekten im Zusammenhang „der Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit Adidas“ zu tun. Das Unternehmen hatte sich mit dem Sportartikelhersteller zusammengetan und in sogenannten „Speed Factorys“ Schuhe im 3D–Druck-Verfahren produziert.

Das hat man zwischenzeitlich anders organisiert, aber das Joint Venture hat sich für Oechsler auf jeden Fall gelohnt. Denn das Unternehmen hat dadurch enorme Erfahrungen im Bereich 3D-Druck gesammelt. Und die setzt man nun auf breiter Front für neue Produkte ein.

Aus den Druckern kommen Netzgitter mit den unterschiedlichsten Eigenschaften. Im Falle der Schuhsohlen geht es um die Rückgewinnung von Energie, in anderen Bereichen geht es um das Dämpfen. Mit Hilfe dieser Technik entstehen nun Helme fürs American Football, Fahrradsättel, oder auch Autositze.

Auf der Suche nach neuen Märkten

Leicht und luftdurchlässig sind zwei wesentliche Eigenschaften. Und weil die Struktur sehr kleinräumig angepasst werden kann, sind unzählige Einsatzgebiete denkbar. Meyer nennt Knieschoner für Fliesenleger als Beispiel. Kozlik kann sich Matratzen vorstellen, die in den unterschiedlichen Körperbereichen unterschiedliche Eigenschaften haben. „Wir sind hier noch am Überlegen, welche Anwendungen möglich sind“, sagt der Vorstandsvorsitzende.

Das bedeutet in vielerlei Hinsicht ein Umdenken bei Oechsler. Denn früher kamen die Kunden und sagten, was sie wollen, jetzt überlegt man sich, was man mit dem Know-how machen könnte und geht auf potenzielle Abnehmer zu.

„Da entstehen bei uns auch ganz neue Berufsbilder im Haus. Wir hatten bislang noch niemanden, der sich mit Möbeln beschäftigt hat“, macht Meyer deutlich. Denn auch hier sind gedruckten Netzwerkgitter nutzbar.

Mehr Entwicklung

Aber der Weg, selbst immer neue Produkte zu entwickeln, wird die Zukunft sein. Vor eineinhalb Jahren hat Oechsler einen neuen Standort in Nürnberg aufgebaut. Dort wird ausschließlich Forschung und Entwicklung betrieben. Dieses Segment hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren stetig aufgestockt. Vor drei Jahren beschäftigte man noch 40 Menschen in diesem Bereich, inzwischen sind es fast 100 und bis 2023 werden es vermutlich 120.

In der klassischen Produktion hat Oechsler im Pandemiejahr hingegen Stellen abgebaut. Zum Jahresende waren es weltweit 3000 (ein Minus von 300), davon arbeiteten 1400 in Deutschland an den Standorten in Ansbach, Weißenburg und in Ansbach-Brodswinden – weiter differenzieren nach den einzelnen Standorten will die Konzernleitung das nicht mehr. In Deutschland wurden 50 Stellen abgebaut, aber das komplett durch natürliche Fluktuation. Klar ist für Finanzvorstand Meyer aber auch: „Ohne das Kurzarbeitergeld hätten wir die Belegschaft in Deutschland nicht in dieser Größe halten können.“

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