Schnaittacher Doppelmord: Verdächtige googelten wegen Blut

Ulrike Löw

21.2.2019, 19:32 Uhr

"Ingo und seine Eltern, sie waren ein Herz und eine Seele – da passte kein Blatt dazwischen." Es ist der dritte Verhandlungstag, in der Schwurgerichtskammer nennen Nachbarn Ingo P. ein "Muttersöhnchen" und Elfriede P. eine "Übermutter", die jeden Morgen um 6.30 Uhr vor ihren Anwesen die Straße gekehrt habe: "Ob’s regnete oder schneite". Und ein Rentner beschreibt, dass er beobachten konnte, wie Peter P. und Sohn Ingo im Sommer 2017 ein Gartenhaus bauten – "sie haben voller Eintracht gewerkelt", erinnert er sich, müsste er mit seinem Sohn stundenlang arbeiten, "ja, da würde es schon mal krachen".

Nicht nur die Richter schmunzeln, im Publikum wird verhalten gelacht. Mutter, Vater, Kind – eine liebevolle Familie. Doch in der Nacht zum 14. Dezember 2017 brach diese Dreieinigkeit auseinander, Ingo P. schlug, so die Anklage, seine Mutter und seinen Vater mit einem Hammer tot und sitzt nun als Doppelmörder vor Gericht. Dunkler, schrecklicher geht es nicht. Der Tabubruch ist bedrohlich, eigentlich unvorstellbar. Und vielleicht ist all dies ohne ein wenig Situationskomik überhaupt nicht zu ertragen.

Ingo P. (26) soll gesagt haben, dass ihm seine Eltern so sehr am Herzen liegen, dass eine Freundin nur eine Chance habe, wenn sie von diesen auch akzeptiert wird. Was hat er erlebt, bevor seine Liebe zwei Wochen vor Weihnachten in einen Gewaltexzess kippte? Hatte er, der als Kind keine Freunde hatte, als "dicker Ingo" gehänselt wurde und über den Gartenzaun blickte, wenn die anderen Jungs auf der Straße Fußball spielten, mit Stephanie (23) die "Traumfrau" gefunden, für die er über Leichen ging?


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Staatsanwalt Stefan Rackelmann ist überzeugt, dass sie die treibende Kraft hinter den Morden ist – das Mindestziel ihrer Verteidiger wird sein, ihre Rolle zur Beihelferin herunterzuspielen. Doch die Grenze zwischen "dem Täter" und demjenigen, der ihm "Hilfe geleistet" hat, ist schwer zu ziehen, wenn man hört, was sich Stephanie und Ingo P. am 14. Dezember – am Abend nach der Bluttat – via Handy, per SMS, mitteilten. Sie zitierten das Strafgesetzbuch, schickten sich die Paragrafen zur "Strafvereitelung" (bestraft wird, wer die Bestrafung des Täters vereiteln will) und zur "Begünstigung" (eine Hilfeleistung für den Straftäter, etwa Diebesgut zu sichern). So groß ist ihr bauernschlau wirkendes Interesse am Strafgesetzbuch, dass sie aus dem Internet auch Übungsfälle ziehen, die wohl aus Übungen für Jurastudenten stammen – und ihre Frage lautet immer wieder: Was, wenn die Ehefrau dem Ehemann hilft?

Überhaupt wird die unerschöpfliche Quelle Internet an jenem Abend ausgiebig bemüht: Auf der Seite www.gute-Haushaltstipps.de recherchierten sie, dass Blutflecken aus Teppichen keinesfalls mit warmem Wasser entfernt werden sollten, und sie hielten Ausschau nach einer Schwarzlicht-Lampe – mit deren Licht können noch die kleinsten Blutspritzer sichtbar gemacht werden. Großes Interesse zeigen beide auch an einem Mord im nördlichen Osnabrücker Land: Dort schlug bereits im Jahr 2008 ein Sohn seine schlafenden Eltern mit einem Hammer tot und schaffte deren Leichen mit dem Auto in den Wald. Was auch zu seiner Überführung beitrug: Zwar warf er Kleidung und Schuhe nach der Tat in die Waschmaschine und den Trockner, doch trotzdem wurden noch Partikel des Waldbodens entdeckt. Stephanie und Ingo P. informierten sich ausführlich – doch die digitalen Spuren ihrer Recherche beseitigten sie nicht.

Mehrere Zeugen attestieren Elfriede P. einen gewissen "Putzwahn", Nachbarn und Polizisten beschreiben einen Haushalt, in dem schier fundamentalistische Ordnung herrschte – und wenn Elfriede P. öffentlich über ihre künftige Schwiegertochter Stephanie sprach, klagte sie über deren begrenzten Sinn für Sauberkeit. 
Eine Mutter, die seine Stephanie nicht akzeptierte, gleichzeitig eine extreme Bindung an sein Elternhaus – ließ diese Spannung Ingo P. zum Mörder werden? Die Akribie der Mutter, offenbar war sie auch ihm eigen: Auf dem karierten Blatt eines College-Blocks entwarf er eine verstörende Liste: Tapeten entfernen, Wand verspachteln und streichen, Möbel lackieren – all dies hielt er als Aufgaben für die nächsten Tage fest, kalkulierte kühl die nötige Zeit. Auch hielt er fest, wer was zu tun hat – ob "S." oder "I.", oder "S. und I."


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Ingo und Stephanie P., so viel steht nach den Beobachtungen der aufmerksamen Nachbarn fest – schufteten viel in jenen Tagen, auch wenn Stephanie behauptet, von Ingo zur Kooperation gezwungen worden zu sein. Sie entsorgten Müllsäcke, besorgten Zement und Steine, befestigten neue Gardinen im Schlafzimmer. Und als die Polizisten kamen – Anfang Januar ging es noch um die als vermisst gemeldeten Eltern – stieg auch den Beamten der massive Farbgeruch in die Nase. Trotz der Renovierungsarbeiten fand das junge Paar die Zeit, einen Husky-Welpen zu besorgen, als Kind hatte sich Ingo P. vergeblich einen Hund gewünscht. Die Züchterin berichtet von einem angeberisch-arrogant agierenden Paar und erinnert sich an Ingo P.s dickes Bargeld-Bündel. Tatsächlich sollen die Eltern P. immer Bargeld im Haus gehabt haben, und so sieht es derzeit so aus, als hätte ihr Sohn auch den Zement, in den sie einbetoniert wurden, von ihren Ersparnissen bezahlt.

Bislang nutzt er sein Recht, die Aussage zu verweigern. Das Reden obliegt seinem Verteidiger Jürgen Pernet. Besser für Ingo P., denn vor gut einem Jahr hat er sich durch allerlei Erklärungen und Widersprüche selbst verdächtig gemacht. Möglich wäre nur, dass er doch noch spricht und Stephanie P. belastet – derartige Gerüchte kursieren derzeit in der JVA. 

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