Erfahrungsbericht aus Kenia
„Das holt mich auf den Boden der Tatsachen“
10.11.2022, 18:00 UhrEin Freundschaftsarmband. Über dieses Geschenk freut sich die siebenjährige Mwanasha Ali Juma riesig, denn mitgebracht hat es ihr ihre Patin, Jacqueline Griffin aus Mimberg. Die 34-Jährige tauschte im Oktober bereits zum zweiten Mal Audi und Dusche gegen Tuktuk und Wassereimer, um in Mwachande in Kenia das kleine Mädchen zu besuchen, das sie seit Jahren über die Organisation „Burgthann hilft“ unterstützt. Die Friseurin berichtet von Reisen, die nicht nur ans Herz gehen, sondern die einen auch auf den Boden der Tatsachen zurückbringen.
Es mangelt an allem
„Als ich 21 Jahre alt war, nahm mich meine Mama zum ersten Mal mit nach Afrika“, erinnert sich Jacqueline Griffin. Damals begleitete sie ihr Mutter Gudrun Hartmann, die mit ihrem Verein „Burgthann hilft“ zwei Schulen in Kenia betreibt und vor Ort auch andere Hilfsprojekte umsetzt. „Ich wusste natürlich, dass Armut und Hunger existieren, aber ich hatte einfach keine Vorstellung, was es für die Menschen wirklich bedeutet“, sagt die 34-jährige, die das Friseur-Studio Herzsache in Altdorf betreibt.
Denn vielerorts in Kenia fehle es nicht nur an ausreichend Nahrungsmitteln und Wasser, sondern auch an den einfachsten Dingen des täglichen Gebrauchs wie Zahnbürsten, Schlappen oder Geschirr.
Weil sie die Familie bei der Arbeit unterstützen müssen, können Kinder oft nicht in die Schule gehen. „Für mich war dann sofort klar, dass ich auch mithelfen und die Menschen vor Ort unterstützen will“, sagt Griffin. „Wenn ich Essen gehe, sind mal schnell 50 Euro weg, aber in Kenia kann man schon mit 25 Euro einen ganzen Monat lang Essen kaufen“, sagt Griffin. Deshalb sendet sie bereits seit rund sechs Jahren als Patin monatlich 25 Euro an „Burgthann hilft“, den Verein ihrer Mutter. Von dem Geld bekommt die kleine Mwanasha wie die anderen Kinder neben Unterricht in der Schule in Mwachande, einer Büchertasche und Schulmaterialien auch Mittagessen und andere Zuwendungen, die ihr und ihrer Familie das Leben etwas erleichtern sollen. „Ich bin so stolz auf meine Mum. Auf das, was sie hier leistet und das, was sie hier aufbaut und so den Menschen hier ein besseres Leben ermöglichen kann“, schreibt Jacqueline Griffin dazu in einem Instagram-Beitrag.
Das Highlight für die Kinder ist jedoch, wenn der oder die Patin sie vor Ort besuchen. Denn nicht allzu oft kommt es vor, dass sich Menschen dafür Urlaub nehmen und Geld für eine solche Reise sparen. Jacqueline Griffin hat es im Oktober zum zweiten Mal getan. „Mwanasha ist eines der schüchternsten Mädchen in der Gruppe, aber für sie war mein Besuch eine große Ehre und das hat sie mir auch ständig durch Umarmungen und Händchenhalten gezeigt“, berichtet Griffin, die auch selbst „unglaublich aufgeregt“ war.
„Obwohl die Menschen selbst sehr wenig haben, teilen sie alles"
Zur Feier des Tages luden Mwanashas Eltern die 34-Jährige bei ihrem Besuch auch kurzerhand zum Essen in die spärlich eingerichtete Lehmhütte ein. Dort aß sie mit Mutter und Großmutter der Kleinen. „Obwohl die Menschen selbst sehr wenig haben, teilen sie alles. Die Familie war auch so stolz, mir ihre Lehmhütte zu zeigen. Sie wollten nicht den Eindruck erwecken, dass sie irgendetwas erwarten oder brauchen“, hebt Griffin die kenianische Gastfreundschaft hervor.
Doch nicht nur an die Gastfreundschaft, erinnert sich Griffin gern zurück, sondern auch an Liebe, Lebensfreude und Dankbarkeit. Über ein paar Süßigkeiten als Geschenk hätten sich die Kinder zum Beispiel so gefreut, dass sie singend neben Griffins Auto hergelaufen seien. „Die Kinder haben zum Beispiel am neu gebauten Brunnen immer mit den Händen getrunken, bis wir ihnen Tassen mitgebracht haben. Darüber haben sie sich riesig gefreut. Was so eine Kleinigkeit für die Menschen dort bedeutet, das kann man nicht beschreiben“, gibt sie ein weiteres Beispiel.
Liebe und Gastfreundschaft
Während sich Kinder über Süßes und eine Tasse freuen, hat Jacqueline Griffin in Deutschland ganz viele davon in ihrem Küchenschrank stehen. Diese unterschiedlichen Welten, die da aufeinandertreffen, versucht die Mimbergerin so zu beschreiben: „In Deutschland leben wir in einem Land, in dem es immer Strom und Wasser gibt. Wir haben Versicherungen, Gesundheitsvorsorge und auch sonst alles, was man zum Überleben braucht. Dafür ist es oft wichtig, wie man angezogen ist, oder welches Auto man fährt. Man - ich schließe mich da nicht aus - beschwert sich über den langsamen Kellner, oder nörgelt über unpassende Jeans“, sagt die 34-Jährige. „Und dann kommt man in ein Land, in dem es das alles nicht gibt. Stattdessen wird man aber überschüttet mit so viel Liebe und Gastfreundschaft. Die Menschen sind einfach dankbar für das Wenige, was sie haben, und machen sich keine Gedanken über das, was sie nicht haben. Hier ist es egal, wie deine Hose aussieht, dafür aber wichtig, ob du nett zu anderen bist“, fasst sie zusammen.
Wenn Griffin nach einer solchen Reise wieder hineinschlüpft in ihr normales Leben, in dem sie einen Wasserhahn hat, den sie einfach aufzudrehen braucht, sich aus Spaß die Nägel lackiert oder auf Instagram unterwegs ist, dann erinnert sie sich oft an ihr kenianisches Patenkind. Ein Kind, für das Sandalen oder Buntstifte bereits eine kleine Form von Luxus darstellen. Ein Kind, für das ein Freundschaftsband aus Plastik das größte Geschenk ist, weil es die Geste erkennt, die über dem materiellen Wert steht. „Das bringt einen einfach selbst zum Nachdenken. Ich frage mich beim Einkaufen zum Beispiel jetzt viel öfter: Brauche ich das wirklich oder will ich das nur? Solche Momente holen mich auf den Boden der Tatsachen zurück und machen mir wieder bewusst, dass es uns eigentlich verdammt gut geht.“
Info: Wer sich für die Unterstützung eines Patenkinds interessiert, dem rät Jacqueline Griffin, sich an eine lokale Organisation zu wenden. Weitere Informationen zu „Burgthann hilft“ und zu Kindern, die noch keinen Paten haben, gibt es auf der Website unter www.burgthann-hilft.de oder telefonisch direkt bei Gudrun Hartmann unter 09183/3719.