Podcast "Horch amol"
Nürnberger Burkert: "Die Situation um das ICE-Werk ist ein einziges Drama
30.6.2022, 15:50 UhrZugfahren muss dauerhaft günstig bleiben. Davon ist der Gewerkschafter Martin Burkert fest überzeugt. Der Erfolgsgeschichte des 9-Euro-Ticket, das im ersten Monat 21 Millionen Mal verkauft worden ist, kann nicht zurückgedreht werden.
"Das ist der richtige Weg, um die Verkehrswende zu meistern", sagt der Nürnberger Burkert, der in Kürze vom Vize zum Chef der mächtigen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) gewählt werden dürfte.
In den kommenden Tagen berät sich Burkert mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) über die Zeit nach Auslaufen des auf drei Monate geplanten Tickets. "Ein Kompromiss wäre wünschenswert", hofft Burkert im Podcast "Horch amol". Vom kategorischen Nein der FDP Minister Christian Lindner und Volker Wissing hält er wenig.
Der Reigen der Vorschläge beginnt bei einem 29-Euro-Ticket und endet bei einem Euro am Tag für die Nutzung des ÖPNV. Dass letzteres, also die vorher beschlossene Einführung eines 365-Euro-Ticket vom Nürnberger Stadtrat erst kürzlich gekippt worden ist, hält Burkert für unklug.
Nachdem wohl in Kürze die Bürger der Frankenmetropole über diese Frage entscheiden dürften, rechnet der Eisenbahn-Experte gerade mit Blick auf die positiven Erfahrungen vieler Menschen mit dem 9-Euro-Ticket mit einem Votum für dauerhaft günstige Fahrpreise.
"Ich bedauere es sehr, dass es eines Bürgerbegehrens bedarf", schreibt der Sozialdemokrat seinen eigenen Parteifreunden. Denn die SPD-Fraktion im Rathaus hat sich der von CSU-Seite eingeforderten Zurücknahme eines bereits gefassten Beschlusses angeschlossen.
Zumindest die Begründung für den Rückzug, die nicht vorhandene Unterstützung durch Bund und Land, kann Burkert nachvollziehen: "Es braucht keine Lippenbekenntnisse, sondern Taten", fordert der frühere Bundestagsabgeordnete Vorfahrt für die Bahn. Als Aufsichtsratsmitglied der DB AG sowie der DB Cargo erlebt Burkert die schwierige Debatte um den Ausbau der Infrastruktur hautnah.
"Es liegt ausschließlich am Willen", weist er auch Bedenken zurück, dass Bus- und Bahnverkehr im ländlichen Raum niemals ernsthafte Konkurrenz für den Autoverkehr werden könnten. Ein massiver Ausbau des Busverkehrs sei ebenso unumgänglich wie die Wiederinbetriebnahme von stillgelegten Trassen im großen Stil. In Bayern werde über "zwei bis drei Strecken nachgedacht, es müssten 20 sein", fordert Burkert mehr Einsatz für die Bahn.
Kritik am Freistaat übt er auch wegen der bislang nicht erfolgten konsequenten Ausschreibung "emissionsfreier" Züge. Diesel sei keine langfristige Alternative, der Ausstieg könnte längst in die Wege geleitet sein.
Noch deutlicher wird der 57-Jährige, wenn es um den Bau des dringend benötigten ICE-Werks in der Region geht: "Die Situation um das ICE-Werk ist ein einziges Drama." Wer für mehr Zugverkehr und somit die Verkehrswende sei, könne ein solches Projekt nicht ablehnen. "In Cottbus wird eine solche Ansiedlung von der Bevölkerung bejubelt, in Dortmund sind die Menschen begeistert." Andere Regionen in Süddeutschland "scharen bereits mit den Hufen", so Burkert. Er habe "kein Verständnis dafür, dass alle Nein sagen", wenn es um einen der drei verbliebenen Standorte im Süden Nürnbergs geht.
Scharf ins Gericht geht der designierte Chef von 180000 EVG-Mitgliedern mit dem Bund Naturschutz. Wer für die Mobilitätswende sei, könne ein solches Infrastruktur-Projekt nicht ablehnen. Schließlich gehe es auch um Hunderte von Arbeitsplätzen. Da sei es nicht gerechtfertigt, ein Gelände wie das ehemalige Muna-Areal nahe Feucht "zum Biotop verkommen zu lassen", empört sich der gelernte Eisenbahner.
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