Neustadts Gymnasium hat eine noch längere Historie

Historiker deckt "folgenreichen Irrtum" in der Schulgeschichte auf

hjm

24.2.2022, 10:38 Uhr
Die Gedenktafel an der ehemaligen Lateinschule in Neustadt/Aisch weist auf das Jahr 1567 hin.

© hjm Die Gedenktafel an der ehemaligen Lateinschule in Neustadt/Aisch weist auf das Jahr 1567 hin.

Die alte Stadt Neustadt an der Aisch neu zu entdecken, dazu lädt der Historiker Dr. Wolfgang Mück mit seinen "Miszellen zur Geschichte der Stadt Neustadt a. d. Aisch" ein. Mit jener der Lateinschule fügt er nun das bereits zehnte Teil in ein facettenreiches Mosaik.

Die Ankündigung "Fakten contra Tradition" macht neugierig, in dem 43-seitigen, auch aufschlussreich illustrierten Band mit dem Titel "Sechs Jahrhunderte Neustädter Lateinschule im Spiegel der Schuljubiläen" zu blättern.

Autor schreibt von "Fehlinterpretation"

Mit akribischen Recherchen belegt der Autor - selbst über zwei Jahrzehnte "Schulmeister" am Friedrich-Alexander-Gymnasium mit ihren Wurzeln in der Lateinschule – die bisher auf einem "folgenreichen Irrtum" beruhende "Tradition" der Schuljubiläen. Zuletzt 1967 sowie 2017 gefeiert, sei man von der 1567 erfolgten Schulgründung ausgegangen, "einer Fehlinterpretation", erklärt Mück, der "bislang die vorreformatorische Traditionsstränge vernachlässigt" sieht.

Ihnen widmet der ehemalige Bürgermeister Neustadts sein besonderes Augenmerk bei der Darstellung der "sechs Jahrhunderte währenden Schulgeschichte der Neustädter Lateinschule", mit der er sich nach seiner Schilderung "jahrzehntelang beschäftigte" und seine neue Miszelle nun als "Ergebnis neuerer wissenschaftlicher Forschung und eigener Recherchen in den einschlägigen Archiven" aufgelegt hat. Acht Seiten Quellennachweise belegen intensive Studien "historischer Fakten", die, so Mück, bei der groß angelegten 450-Jahrfeier "trotz besseren Wissens missachtet wurden".

Erster Schulmeister 1438 beurkundet

Einer Übersicht von der ersten Erwähnung eines Schulmeisters 1438, "der seinen Schülern des Salve Regina und andere lateinische Gesänge im Gottesdienst darbringt" und als Nachweis einer Lateinschule (ohne überlieferten Namen) gilt, bis zum "Friedrich-Alexander-Gymnasium" (1966) folgen sechs Kapitel über Zeitstränge, Entwicklungen und Hintergründe der Schulgeschichte.

Über die "allhiesige Stattschul (1617), die "Schola Georgia Fridericianum (1731), die "Königliche Studienschule" (1814) oder das "Königl. Humanist. Progymnasium mit vier Realklassen" (1914) bis zur sechsklassigen Oberschule für Jungen (1940) sowie dem "Gymnasium mit Oberschule" (1954) und schließlich 1966 dem "Friedich-Alexander-Gymnasium" reicht das Namensregister, später auch im Spiegelbild der Stadtgeschichte.

Königliche Studienschule

Bei seinen Forschungen stieß der Historiker auf Parallelen der Gründungsgeschichte der Neustädter Lateinschule mit jenen etwa in Neustadt/Saale (1381), Ochsenfurt (1403), Iphofen (1425) oder Leutershausen (1454) und machte zeitliche Zusammenhänge von Schulgründungen und Stiftungen aus.

In der wiederum in der Verlagsdruckerei Schmidt erschienenen Miszelle (vom lateinischen "miscella"/heute Kurztext mit aktuellen Informationen über ein Forschungsprojekt) beschreibt der Historiker neben der Entstehung der Neustädter Lateinschule unter anderem die Pflichten von Schulmeistern und Gerichtsschreibern, die "vorreformatorischen Traditionsstränge der Neustädter Lateinschule" sowie die "Jubiläen der Neustädter Stadtschule", geht der "Herkunft des falschen Datums 1567" auf den Grund und stellt fest: "Eine 1736 irrtümlich begründete Tradition wurde trotz berechtigter und auch angesprochener Zweifel stärker gewichtet als die tatsächlichen Fakten. Dies kann nur als ein Musterbeispiel für falsch verstandene Traditionspflege gewertet werden".

"Der historischen Wahrheit folgen"

Wolfgang Mück zeigt dies klar mit dem Appell auf, "fragwürdige Überlieferung über Bord zu werfen, Traditionen zu hinterfragen, der historischen Wahrheit zu folgen und – wann immer der Grund dazu gegeben ist – zu feiern". Welcher der beiden aufgezeigten Traditionslinien in Zukunft beherzigt werde, wisse man in gut zwei Jahrzehnten.

Wird den etablierten Feiern folgend 2042 auf 475 Jahre Lateinschule das Glas erhoben? Oder schon 2038 eine 600-Jahr-Feier in Anlehnung der nachweislich ersten urkundlichen Nennung eines Neustädter Schulmeisters und seiner Schüler stattfinden?" schließt der Autor seine zehnte "Miszelle zur Geschichte der Stadt Neustadt a. d. Aisch".

Das Jahr 1567 ist dennoch verankert

Auf die neuen Erkenntnisse hatte Mück schon zum Abschluss des (falschen) Jubiläumsjahres 2017 hingewiesen und war bereits in einem Sonderband der "Streiflichter aus der Heimatgeschichte" des Geschichts- und Heimatvereins 1993 auf die "vorreformatorischen Traditionsstränge der Neustädter Lateinschule" eingegangen.

Und doch scheint das Datum 1567 tief in der Schulgeschichte verankert, auch wenn es auf einer Tafel an dem Gebäude nahe der evangelischen Stadtkirche, das sie einst beherbergte, die damals "wiedergegründete Lateinschule" ausweist.

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