Kommentar
Treuchtlinger Wasserstreit: Nichts gewonnen, viel verloren
27.7.2019, 05:57 UhrMit den Hinnahme des ablehnenden Bescheids aus dem Landratsamt durch den Treuchtlinger Stadtrat endet zumindest vorerst das Gezerre um das Tiefenwasser für die Firma Altmühltaler. Die Debatte der vergangenen Monate hat etwas Symptomatisches – und am Ende fast nur Verlierer.
Zeittypisch erschienen von Beginn an die Angst der Politik vor dem möglicherweise konträren Bürgerwillen und das Misstrauen der Bürger in die Kompetenz von Politik und Behörden. Hätten Stadt und Unternehmen ihr Vorhaben von Beginn an konsequent transparent gemacht und den Menschen erklärt, wäre die öffentliche Reaktion vielleicht anders und weniger absolut ausgefallen. Nach mehr als einem halben Jahr der Verhandlungen hinter verschlossenen Türen war diese jedoch ebenso absehbar wie angesichts der allgemeinen Stimmung bei Umweltthemen (Stichworte "Fridays for Future" und "Nestlé-Effekt").
Zu viele Emotionen im Spiel
Ebenso symptomatisch ist der Reflex vieler Aktivisten, in Politik und Wirtschaft stets nur Profitgier und Mauschelei zu sehen, statt sich auch deren Argumente anzuhören. Und hörbar gewesen wären diese: Schon Monate, ja Jahre bevor ortsfremde Medien das Thema hochstilisiert haben, hatte unsere Zeitung immer wieder ganz sachlich über die Verknüpfung von neuen Wasserrechten und der Aussiedlung der Firma Altmühltaler berichtet. Zu viele Entscheidungen fallen derzeit aufgrund von Emotionen und eines diffusen Bauchgefühls statt anhand von Wissen und Vernunft. Die jeweiligen "Echokammern" verstärken dies, Befürworter und Gegner sprachen auch im konkreten Fall oft nur noch übereinander statt miteinander und wähnten sich durch Selbstbestätigung innerhalb ihrer Gruppen in der Mehrheit.
Verlierer sind dabei nahezu alle. Die Stadt Treuchtlingen und ihre politischen Vertreter – allen voran Bürgermeister Werner Baum – haben durch ihre Geheimnistuerei und fehlende Bürgernähe massiv an Vertrauen verloren. Die Stadt hat damit außerdem zumindest fürs Erste die wohl bislang größte Chance verspielt, die jahrzehntelang erhoffte Aussiedlung der Firma Altmühltaler aus dem Zentrum auf den Weg zu bringen – einschließlich all der Vorteile für Stadtentwicklung und Verkehr. Stattdessen ist ihre Bevölkerung gespalten, teilweise reden Nachbarn und Bekannte nicht mehr miteinander. Dafür allein der Bürgerinitiative die Schuld zuzuweisen, wäre unredlich.
Die Bürgerinitiative hat aber ebenfalls nichts gewonnen. Mineralwasser wird weiterhin in rauen Mengen getrunken und der Mehrbedarf nun eben anderswo gefördert. Die Bürger konsumieren so erst recht das über Tausende Kilometer herangekarrte und unter viel laxeren Bestimmungen gewonnene Wasser internationaler Großkonzerne, statt das eigene Tiefenwasser aus der Region. Das Altmühltaler-Werk bleibt zudem vorerst in der Stadtmitte, sodass durch den Pendelverkehr zum Hochregallager sogar mehr Kohlendioxid, Feinstaub und Lärm entstehen als zuvor. Und auf Plastikflaschen verzichtet auch niemand, nur weil Altmühltaler weniger davon befüllen kann – da müssten sich schon das komplette Verbraucherverhalten oder grundlegende Gesetze ändern. Vor diesem Hintergrund erscheint das Bürgerbegehren ein wenig so, wie gestrandete Delfine zu retten, um sie in ein Meer zurückzusetzen, das man selbst weiter überfischt und verschmutzt.
"Kirchturmpolitik" bestätigt
Auch die Stadt Weißenburg hat vom Ausgang des Verfahrens nichts. Gerade weil sich das Umweltministerium auf den besonderen Wert des Tiefenwassers beruft, wird sie möglicherweise ohnehin bei der nächsten Antragstellung Anteile an diesem Reservoir abgeben müssen. Nach außen hat die Kreisstadt aber – nicht zuletzt durch das zwar legitime, aber einseitige Betreiben der Freien Wähler – einmal mehr dem seit Jahrzehnten im übrigen Landkreis verinnerlichten Klischee der "Kirchturmpolitik" auf Kosten der kleineren Nachbarn entsprochen.
Als Verlierer dürfte sich nicht zuletzt so mancher Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamtes und der Regierung von Mittelfranken fühlen. Dort sitzen die Fachleute, die den Wasserrechtsantrag zwar durchaus kritisch sahen, ihn aber mit ihrer Expertise unter Auflagen für vertretbar hielten. Fachbehörde und Wissenschaft wurden jedoch von der Politik überstimmt – weniger durch das Landratsamt, das als Genehmigungsbehörde zwar frei, aber eben doch nicht ganz ohne Rücksicht auf Verluste entscheiden konnte, als durch das Umweltministerium, das das vom Landtag beschlossene Landesentwicklungsprogramm über Bord warf und auf eben jenes Bauchgefühl setzte, das es in der Bevölkerung wahrzunehmen glaubte. Ähnlich wie beim (im Grundsatz ebenso richtigen, aber auch genauso kompromisslosen) Volksbegehren zum Artenschutz haben sich manche Politiker hier opportunistisch vom Zeitgeist einspannen lassen – und profitieren nun unter Umständen sogar in Form von Wählerstimmen als einzige davon.
Test wäre hilfreich gewesen
Was aber wäre die richtige Lösung gewesen? Mit Sicherheit ein transparenter Kompromiss. So hätte man den Probebetrieb zum Beispiel noch durchsichtiger und behutsamer gestalten können. Denn ein Test an sich wäre auch für künftige Entscheidungen hilfreich gewesen, basieren alle aktuellen Annahmen über die Veränderungen der Tiefenwasserschicht doch lediglich auf Modellrechnungen. Und Wasser daraus entnehmen möchten wir ja, sonst ergäbe auch der Schutz des Depots als "Notreserve" keinen Sinn.
Gleichzeitig müssten sich aber mit Blick auf den Klimawandel noch viel größere Bürgerinitiativen als die Treuchtlinger gegen die Verschwendung von Leitungswasser und die zunehmende Verschmutzung des oberflächennahen Grundwassers richten. Es bräuchte Investitionen in die Trennung von Brauch- und Trinkwasser sowie eine weitere Reduzierung der Nitratbelastung durch die Landwirtschaft. Wenn das gelänge, wäre im Übrigen auch die Qualität des Tiefengrundwassers nicht mehr durch das (als einer der Hauptgründe für die Ablehnung des Treuchtlinger Antrags angeführte) Nachsickern von verunreinigtem Oberflächenwasser gefährdet. Denn ja: Sauberes Wasser ist kostbar – aber eben weil wir Menschen es brauchen und nutzen, nicht weil es ein Selbstzweck wäre.
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