
Kommentar
Gibt es dank Handyverbot eine heile (Schul)welt? So einfach ist es leider nicht
Sie sei Handy-süchtig, sagte Silke Müller im Bildungs-Podcast „Die Schule brennt“. Das ist bemerkenswert. Denn an der Schule, die sie in Niedersachsen leitet, gilt ein Handy-Verbot. Und sie ist Autorin der Spiegel-Bestseller „Wer schützt unsere Kinder“ und „Wir verlieren unsere Kinder“, die den Medienkonsum kritisch bewerten. Dass also gerade Müller zugibt, selbst einen ungesunden Umgang zu haben, spiegelt die Komplexität des Themas wider. Es zeigt: Wir Erwachsenen sind Teil des Problems.
Und haben es auch: Allein beim Schreiben dieses Kommentars vibriert das Smartphone, schickt Push-Meldungen, Whatsapp- und Teams-Nachrichten. Ständiges Gestörtwerden ist mittlerweile auch Teil des Berufsalltags.
Wissenschaftliche Studien sprechen, was die Gefahren anbelangt, eine klare Sprache. Eine übermäßige Bildschirmzeit hat Auswirkungen auf Denken und Konzentration, auf das Sozialverhalten, auf Körper (mangelnde Bewegung), Psyche und den Wertekompass.
Handyverbot? Das Smartphone gehört zum Alltag
Und doch: Eine einfache Lösung gibt es nicht. Weder wird ein Handyverbot an Schulen ausreichen - zumal es dieses faktisch in Bayern gibt, mit der Ausnahme, dass Schulen auch die Wahl haben, eigene Wege zu gehen. Noch ist die Forderung „Das ist Aufgabe der Eltern!“ hilfreich, denn die einen nehmen die Verantwortung längst wahr, während die anderen nicht für das Thema zu erreichen sind.
Diese Ansätze greifen also viel zu kurz. Das Smartphone gehört zum Alltag. Mit Sicherheit täte es dem Klima gut, würde bundesweit ein Autofahrverbot von, sagen wir, 18 bis 21 Uhr, eingeführt werden. Aber ist das realistisch? Nein. Ebenso wenig lässt sich das Smartphone abschaffen. Die Verantwortung, Kindern einen vernünftigen Umgang damit beizubringen, trägt die ganze Gesellschaft.
Dazu gehört das Bewusstsein, wie widersprüchlich Erwachsene sich verhalten. Die Lehrerin Müller ist nur ein Beispiel, Eltern, die das Handy nicht weglegen, ein weiteres. Und Politiker, die gerne mit reinem Unterhaltungscontent in den Sozialen Netzwerken den Konsum befeuern, erwarten auf der anderen Seite, dass Schule und Eltern die Mediennutzung der Kinder in den Griff kriegen.
Der reflektierte Umgang mit dem Handy ist ein langer Lernweg - für alle. Vorurteilsfreie Aufklärung ist ein Schritt, klare Regeln und Konsequenzen ein anderer, der selbstkritische Umgang ein dritter. Ein vierter sollte die gesetzliche Altersbeschränkung für Social-Media-Kanäle sein, mit der sich das Bundesfamilienministerium schon beschäftigt.
Vor allem aber darf keine gesellschaftliche Instanz die Brisanz der problematischen Handynutzung aus den Augen verlieren. Nicht „andere“ haben sich zu kümmern, jeder steht in der Verantwortung und ist ein Teil der Lösung. Silke Müller hat an ihrer Schule eine Social-Media-Sprechstunde eingeführt. Es gibt also auch kreative Ansätze, um der Handy-Realität im Alltag vorbildlich zu begegnen.
(Dieser Kommentar erschien erstmals am 21. März 2025 auf NN.de)
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen