Autorin aus Eckental

Neunkirchen: Susanne Reiche im tiefen dunklen blätterWALD

21.11.2021, 10:00 Uhr
Susanne Reiche bei ihrer äußerst unterhaltsamen Lesung.

© Udo Güldner, NN Susanne Reiche bei ihrer äußerst unterhaltsamen Lesung.

Da sucht man nur einige Kräuter, um sich eine erfrischende Maibowle zu machen. Oder ein würziges Pesto aus Bärlauch. Und dann findet man da eine Leiche. Natürlich mit schrillem Schrei, wie sich das für solche Situationen gehört.

Ausgerechnet am Selfie-Hotspot hängt der Tote herum. Dabei ist die Umgebung doch so idyllisch. Der Wenglein-Park nahe Pommelsbrunn inmitten der Hersbrucker Alb mit all seinen natürlichen Schönheiten. Da stört der leblose Gemeinderat von Velden, der als umstrittener Hähnchenmäster das blutige Schicksal seines Federviehs teilt. Schnell ist klar, dass einer der Teilnehmer des Kräuter-Spaziergangs die Hände und den berühmten stumpfen Gegenstand im Spiel gehabt hat.

Die Gruppe, die sich da durch die Büsche schlägt, um Grünzeug aller Art einzusammeln, könnte unterschiedlicher kaum sein: Ein Jäger und Sammler, in dessen Beuteschema Blondinen passen; eine befremdlich magere Metzgersgattin; ein menschenfeindlicher Gärtnerlehrling; ein Koch mit Migrationshintergrund, der im katholischen Kirchenchor singt; sowie mehrere Rentner in ihrer beigen Phase.

Unter all die seltsamen Gestalten im fränkischen Outback mischt sich auch ein Nürnberger Gewächs. Kommissar Kastner ermittelt inkognito, wie schon in drei anderen Reiche-Romanen zuvor. Die drehten sich um Chili, Tapas und Sushi.

Forchheim zwischen den Buchdeckeln

Auch Forchheim kommt zwischen den Buchdeckeln kurz vor. Allerdings nur als der exotische Ort, an dem man ein mageres Flittchen aufgabeln kann. Das kann man sich dann als Mann mittleren Alters, der eine Abwechslung zu den dicken Glimmtüten braucht, mit nach La Gomera nehmen. Zurück bleibt die Ehefrau, die sich auf Selbstfindungstrip ganz dem Kräuterhexen-Dasein zuwendet.

Freilich wohnt sie weder in einem Knusperhäuschen, noch mästet sie verirrte Kleinkinder, sondern ernährt sich von Touristen, die sie auf einer Art Kaffeefahrt hinter die Fichte führt. Dort gibt es dann Marmeladen, Pesto und Chutney in kleinen Gläsern. Nur beim Preis ist die Überraschung dann groß.

Ein heiterer Plauderton durchzieht den gesamten Kriminalroman. Dabei könnte man angesichts der vielen ironischen Schilderungen beinahe vergessen, dass da einer gewaltsam zu Tode gekommen ist. Etwa wenn mit „Arsch der Waldfee“ ein poetischer Name für einen Tee gefunden wird, dessen Zutaten unter Bäumen gedeihen.

Oder wenn die vom Wandern und falschem Schuhwerk geschundenen Füße Kommissar Kastners als „zwei kleine Wasserleichen“ beschrieben werden. Gerade dieses Nicht-Ernst-Nehmen-Wollen tut dem Ganzen gut.

Kapitel gießen, Dialoge säen

Man kann sich gut vorstellen, wie Susanne Reiche den Sommer über genutzt hat, um in ihrer Datsche in Großgeschaidt zwischen den Sätzen zu jäten, Dialoge zu säen und die Kapitel zu gießen. Sobald sie als gelernte Gärtnerin die Harke beiseite gelegt und sich ganz dem Schreiben hingegeben hat.

Selbst im Winter träumte sie sich hinaus aus der Kälte, hin zu ihren Figuren, die im sonnigen Frühling durch den Naturpark streifen. Dabei kann sie als Erzählerin spannender Geschichten ihr Biologie-Studium dann doch nicht ganz hinter sich lassen. Immer wieder sprießen lateinische Bezeichnungen zwischen den Seiten hervor, die zu längeren Erklärungen heranwuchern, wie man die Heilkräuter denn nutzen könnte.

Keine Ahnung, ob Kommissar Kastner die Kürbismaultaschen auf fränkischem Pesto angerührt hätte, die inmitten der Lesung auf die Tische schweben. Susanne Reiches literarischer Ermittler scheint doch eher der Schäuferla mit Landbier-Typ zu sein. Zumindest liest man oft davon, dass er im Grünen Schwan in Eschenbach einkehrt.

Vielleicht wäre er bei dem, was Norbert Polster und sein Team vom Klosterhof Neunkirchen am Brand da in die Teller gezaubert haben, doch noch schwach geworden. Die Zuhörer jedenfalls haben jeden Bissen – und jedes Wort Susanne Reiches – bei dieser ungemein unterhaltsamen Lesung genossen.

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