Vor allem Senioren betroffen
Falsche Polizisten, falsche Enkel: Mit diesen Betrugsmaschen versuchen Gauner an Geld zu kommen
4.5.2022, 05:55 UhrAnfang März gab eine 73-Jährige aus Erlangen-Höchstadt einem Unbekannten eine sechsstellige Summe. Angeblich hatte ihr Sohn einen Unfall verursacht. Dass sie Betrügern auf den Leim gegangen war, bemerkte sie erst, als es zu spät war.
Das Phänomen "Callcenter-Betrug" oder "Schockanruf", wie die Polizei solche Fälle nennt, beschäftigt die Ermittler in Mittelfranken seit Jahren - und die Zahl der Fälle nimmt gewaltig zu. Allein für die Region Nürnberg registrierte die Polizei bis Mitte Februar 21.000 solcher Anrufe - teils mit gravierenden finanziellen Auswirkungen für die Opfer. Im Jahr 2021 ergaunerten Betrüger demnach mehrere Millionen Euro. Dieser Schaden verdeutliche, "dass die Opfer dieser Betrugsfälle oftmals um immense wirtschaftliche Werte gebracht werden, die nicht selten das lebenslang ersparte Vermögen dieser Menschen umfassen", so der Leitende Kriminaldirektor des Polizeipräsidiums Mittelfranken, Holger Plank.
Diese Methoden wenden die Betrüger an
Besonders perfide gehen die Betrüger bei den sogenannten Schockanrufen vor: Am Telefon geben sie vor, ein Verwandter, meist das eigene Kind oder ein Enkel, habe einen Verkehrsunfall verursacht und dabei jemanden schwer verletzt oder gar getötet. Um seinen Verwandten vor einer strafrechtlichen Verfolgung zu schützen oder eine Kaution zu begleichen, wird der Angerufene dann aufgefordert, sofort eine Summe in bar zu zahlen.
Eine andere Version ist, dass das vermeintliche Familienmitglied selbst einen schweren Unfall hatte und sofort operiert werden müsse. Die Operation sei nur möglich, wenn vorher ein gewisser Betrag gezahlt werde. Die Anrufer selbst geben sich dabei etwa als Polizisten, Staats- oder Rechtsanwalt aus.
Als Polizisten geben sich die Betrüger auch bei dieser Masche aus: Am Telefon berichten sie zunächst von angeblichen Einbrüchen in der Umgebung und bieten dann an, die Wertgegenstände zur Sicherheit zu verwahren. Laut Neustadts Polizei-Dienststellenleiter Siegfried Archut kamen solche Anrufe in Westmittelfranken zuletzt häufiger vor.
In Rothenburg ob der Tauber rief etwa ein angeblicher Polizeibeamter eine 81-Jährige an und berichtete von Einbrüchen in der Nachbarschaft und festgenommenen Tätern. Bei den Dieben hätte man Hinweise auf die angerufene Dame gefunden. "Diese Aussage war falsch und frei erfunden und sollte nur dem Auskundschaften der Vermögensverhältnisse dienen", stellt Archut allerdings klar. Die Seniorin sei trotz mehrmaligen Nachfragens allerdings hartnäckig geblieben. "Sie machte anschließend das einzig Richtige und legte auf."
Nicht so schnell zu durchschauen, ist allerdings diese Masche: Zuletzt wurden im Raum Nürnberg vermehrt Menschen von vermeintlichen Microsoft-Mitarbeitern angerufen, angeblich weil ihr Computer gehackt worden sei. Im Gespräch geben die Betrüger dann vor, den PC vor weiteren Angriffen schützen zu wollen, dafür müsse ein entsprechendes Hilfe-Programm installiert werden. Doch damit beginnt das eigentliche Desaster: Die Software ermöglicht es den Kriminellen, Daten auf dem Rechner ihrer Opfer auszuspionieren, teils sogar Überweisungen auf eigene Konten zu tätigen oder weiteren Schaden anzurichten. Der Polizei ist auch diese Masche bereits bekannt, bislang sei sie in der Region aber nicht sehr verbreitet.
Neu ist, dass Betrüger versuchen, ihre Opfer auch über den Nachrichtendienst WhatsApp zu kontaktieren: In einer Nachricht geben sie sich als Angehöriger aus, der sein Handy verloren hat. So soll die unbekannte Anruf-Nummer gerechtfertigt werden. "Dann wird um eine dringende Geld-Überweisung gebeten", klärt Polizei-Dienststellenleiter Archut auf. Innerhalb nur eines Tages ergaunerten Betrüger mit eben dieser Masche in Mittelfranken rund 13.000 Euro.
Neben Anrufen und Nachrichten versuchen Betrüger zudem auch auf dem Postweg, an Geld sowie an die Bankdaten ihrer Opfer zu kommen. Erst zuletzt kam es etwa in Rothenburg ob der Tauber zu mehreren Fällen mit gefälschten Inkasso-Schreiben. Laut Polizei wurde etwa einem Mann aus dem Rothenburger Umland per Post ein "vorgerichtliches Mahnschreiben einer Anwaltssozietät aus München zugestellt". In dem Brief wurde er "letztmalig aufgefordert den Betrag von 289,50 Euro zu überweisen". Der Grund für die Forderung: Ein vermeintlich abgeschlossener Gewinnspiel-Vertrag. Geld überwies der Mann allerdings nicht, sondern erstattete stattdessen Anzeige.
Polizei betreibt viel Aufklärung
Um die Zahl der gelungenen Betrugsfälle zu reduzieren, versucht die Polizei es unter anderem mit Aufklärungsarbeit, veröffentlicht Warnungen und Tipps und teilt diese auch in den sozialen Medien. Mit letzterem sollen laut dem Polizeipräsidium Mittelfranken vor allem Jüngere erreicht werden, die dann wiederum ältere Verwandte und Bekannte warnen können. Zusätzlich habe das Präsidium mehrere Videoclips produziert, die unter anderem im Fahrgast-Fernsehen der Nürnberger Verkehrsbetriebe gezeigt würden, so ein Sprecher.
Trotzdem würden nicht alle potenziellen Opfer in der Zielgruppe erreicht, weswegen mittlerweile auch Mitarbeiter von Banken für die Prävention solcher Fälle geschult werden. Seit Kurzem liegen in Mittel- sowie Oberfranken in vielen Banken zudem spezielle Kuverts bereits, die mit Warnhinweisen bedruckt sind - mit Erfolg: Die Polizei in Forchheim berichtete Anfang Februar von einem Fall, in dem durch so ein Kuvert ein 85-Jähriger vor dem Betrug gewarnt werden konnte.
Diese Tipps gibt die Polizei
Grundsätzlich gilt: Die Polizei wird niemals Personen um Geldbeträge oder Wertgegenstände bitten oder Sie nach Ihren Vermögensverhältnissen ausfragen. Gerade Anrufer, die sich als Beamte ausgeben, können mit dieser Regel direkt als Betrüger entlarvt werden. Trotzdem lassen sich davon einige verunsichern: "Wenn Sie der Anrufer auffordert, die 110 zu wählen, um die Richtigkeit des Anrufers zu verifizieren, dann beenden Sie das Gespräch, legen den Hörer auf und rufen dann eigenständig bei der Polizei an", schreibt der Sprecher der Polizei Mittelfranken deswegen als Zusatz.
Außerdem sollte man sich am Telefon nicht unter Druck setzen lassen. "Legen sie einfach auf", rät der Polizei-Sprecher. Verdächtige Anrufe sollten an die Polizei gemeldet werden. Ein Punkt, der zudem helfen kann, gar nicht erst Ziel von solchen Betrugsmaschen zu werden, ist, die eigenen Telefonnummer in öffentlichen Verzeichnissen, wie beispielsweise dem Telefonbuch, löschen zu lassen. Zudem können Anrufe aus dem Ausland auch grundsätzlich über den Telefonanbieter oder die Telefonanlage gesperrt werden.
Auch fremden Nummern, die über WhatsApp nach Geld fragen, sollte man immer misstrauisch gegenüber sein, betont der Polizeisprecher weiter. "Falls Sie bereits eine Überweisung getätigt haben, kontaktieren sie sofort die Bank und veranlassen eine Rücküberweisung." Den Chatverlauf solle man allerdings nicht löschen, sondern der Polizei zeigen.
Und auch Außenstehende könnten helfen, die Betrugsmaschen zu verhindern, fügt der Polizeisprecher an: "Seien Sie aufmerksam, wenn in Ihrer Nachbarschaft ältere Menschen leben. Sprechen Sie mit ihnen und auch ihren Verwandten und Bekannten über dieses Phänomen."
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