Gefahr am Gartenzaun?

Fremder schenkt Kindern Süßes: Wie ein Fall in Franken für Panik sorgte - und was die Polizei rät

Claudia Freilinger

Nordbayerische Nachrichten Herzogenaurach/Höchstadt

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14.12.2024, 11:11 Uhr
Ein Mann versucht, ein Kind mit Schokolade in sein Auto zu locken. Das Foto ist gestellt. In Möhrendorf gab es eine Situation, die viele Eltern aufgeschreckt hat.

© Thomas Koehler/ photothek.net/imago/photothek Ein Mann versucht, ein Kind mit Schokolade in sein Auto zu locken. Das Foto ist gestellt. In Möhrendorf gab es eine Situation, die viele Eltern aufgeschreckt hat.

Zwei Kinder erzählten ihren Eltern in Möhrendorf am Montag, 9. Dezember, dass ein unbekannter Mann ihnen über den Kindergartenzaun Süßigkeiten geschenkt habe. Die Angehörigen informierten die Einrichtungsleitung und schließlich die Polizei.

Als bekannt wurde, welches Fahrzeug der Mann benutzt haben soll, leitete die Einrichtungsleitung diese Meldung an die Eltern weiter - um mögliche Gefahr abzuwenden.

Daraufhin geriet die Kommunikationssituation allerdings außer Kontrolle. Die Polizeiinspektion Erlangen-Land formuliert das in ihrem Pressebericht so: "Es entstand in der Folge ein enormer Frage- und Mitteilungsbedarf, den Angehörige, Kindergärten und Schulen sowie offizielle Stellen an die Polizei richteten."

Gerüchte in Möhrendorf sorgen für Angst bei Kindern und Angehörigen

Und es ging noch weiter: "Parallel dazu wurde der Sachverhalt jedoch, wie es aktuell oft geschieht, auf diversen öffentlichen und geschlossenen Kommunikationsplattformen untereinander weitergeleitet." Dass hierdurch neben einem Bewusstsein für die potentielle Gefahrensituation auch große Angst bei Kindern und Angehörigen entstehen kann, habe die Menge der Anrufe gezeigt, schreibt die Polizei. "Es sollte zudem immer bedacht werden, dass privat weitergegebene Nachrichten leicht Fehlinformationen, Übertreibungen oder Ausschmückungen enthalten können, die sich mit der wiederholten Weitererzählung einschleichen (Stichwort: ‚Stille Post‘)."

Polizei hat sich bewusst noch nicht an die Öffentlichkeit gewandt

Ganz bewusst hatte sich die Polizei zu diesem Zeitpunkt noch nicht an die Öffentlichkeit gewandt, weil keine "konkreten Hinweise auf die Person oder eine Straftat" vorlagen.

Zur Erleichterung aller konnten die Beamten den Sachverhalt am nächsten Tag schon aufklären. Ein Zeuge entdeckte das gemeldete Fahrzeug im Ort und gab das Kfz-Kennzeichen an die Polizei weiter.

Kfz-Kennzeichen hilft bei der Lösung des "Falls"

Das führte die Ermittler zum Arbeitgeber des Mannes und so schließlich zur Auflösung: Es handelte sich um keine für die Kinder gefährliche Person, sondern um einen Fahrer eines Paketlieferdienstes, der bemerkt hatte, dass die zwei Kinder am Zaun über sein Fahrzeug sprachen. "Als freundliche Geste und da er selbst Vater gleichaltriger Kinder ist, schenkte er den beiden Kindern daraufhin unbedacht die Süßigkeiten, welche durch die Lieferfirma zu Werbezwecken mit sich geführt werden." So schreibt es die Polizei in ihrem Pressebericht. "Die Daten und Angaben des Mannes wurden polizeilich überprüft, was auch den letzten Restverdacht für eine vorliegende Gefahrensituation zerstreute."

Also benachrichtigen die Beamten alle Beteiligten und offiziellen Stellen. Und sie betonen, die Weitergabe solcher Fälle zur Überprüfung durch die Polizei sei an sich gut und richtig. Aber: "Die direkte Weitergabe untereinander und im privaten Raum, insbesondere zu einem Zeitpunkt, an dem es keine bis wenige gesicherte Erkenntnisse gibt, die Information aus keiner offiziellen Quelle stammt oder nur vom "Hörensagen" bekannt ist, kann bei manchen Menschen zu Angst und Panik führen."

Polizei gibt konkrete Tipps für den Akutfall

Was also tun? Hier hat die Inspektion Erlangen-Land konkrete Tipps für den Akutfall:

  • Wenn Ihr Kind von einem Vorfall berichtet, bemühen Sie sich zunächst, Ruhe zu bewahren. Hören Sie Ihrem Kind aufmerksam zu und nehmen Sie es ernst.
  • Loben Sie Ihr Kind, dass es sich Ihnen anvertraut hat und vermeiden Sie allzu detaillierte Nachfragen.
  • Verständigen Sie in Akutsituationen sofort über Notruf 110 die Polizei.
  • Nehmen Sie Abstand vor eigenhändigen "Fahndungsaufrufen" in sozialen Netzwerken, Chatgruppen etc. Hier haben Sie weder den Verbreitungsgrad noch den Inhalt weiterer Verbreitungsnachrichten in der Hand.

Wer vorbeugen will, sollte folgendes beachten

Weiterhin ist zur Vorbeugung zu beachten:

  • Besprechen Sie mit Ihrem Kind, wo es sich gegebenenfalls auf dem Schulweg/Spielplatz Hilfe holen kann (Geschäfte, sog. Sicherheitsinseln)
  • Schicken Sie Ihr Kind wenn möglich in Laufgemeinschaften zusammen mit anderen Kindern zur Schule oder zum Spielplatz.
  • Beschriften Sie Kleidungsstücke oder die Schultasche nicht von außen sichtbar mit dem Namen. Spricht ein Fremder das Kind mit Vornamen an, wird eine Vertrauensbasis suggeriert.
  • Kinder sollen lernen, weiterzugehen und Distanz zu halten, wenn sie angesprochen werden.
  • Benennen Sie die Personen namentlich, zu denen ihr Kind in das Auto einsteigen darf.
  • Kinder dürfen gegenüber Erwachsenen Grenzen setzen und Nein sagen.
  • Kinder sollen lernen, Erwachsene zu siezen.
  • Täter sprechen bevorzugt unsicher wirkende Kinder an. Selbstbewusstsein und ein gutes Bauchgefühl sind ein wirksamer Schutz.

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