Jetzt zieht das Leben ein: Der Cube am Wöhrder See.
© Stefan Hippel
Jetzt zieht das Leben ein: Der Cube am Wöhrder See.

In eigener Sache

„Das beflügelt uns“: Der Verlag Nürnberger Presse zieht an den Wöhrder See

Es ist ein Aufbruch zu neuen Ufern, auch im Wortsinn: zu den Ufern des Wöhrder Sees, dort steht – nach einem Dreivierteljahrhundert im Presseviertel an der Marienstraße - das neue Zuhause des Verlags Nürnberger Presse. Es sind, vom bisherigen Standort aus, nur etwa tausend Schritte – aber es sind Schritte, die viel weiter führen. Schritte in die Zukunft. "Mit dem Umzug beginnt ein neuer Zeitabschnitt für den VNP", erklären die Verlegerinnen Bärbel Schnell und Sabine Schnell-Pleyer: "Wir lassen uns von einer neuen Umgebung inspirieren. Erstmals in der Geschichte des Verlags sind nun, abgesehen von Technik und Logistik, alle Bereiche des Verlags unter einem Dach, darauf freuen wir uns."

Bärbel Schnell und Sabine Schnell-Pleyer strahlen diese Vorfreude aus; wer mit ihnen spricht, spürt "ein festes Vertrauen ins Miteinander", wie sie sagen, "ein sehr gutes Gefühl - wir werden noch näher zusammenrücken, zusammenwachsen" und das neue Haus "mit der Kraft von uns allen" füllen. "Wir", das fällt beim Blick in den Notizblock auf, ist das Wort, das diesen Umzug, einen "riesigen Kraftakt", wie Bärbel Schnell sagt, trägt und begleitet.

"Mit dem Umzug beginnt ein neuer Zeitabschnitt für den VNP": Die Verlegerinnen Bärbel Schnell (links) und Sabine Schnell-Pleyer.

"Mit dem Umzug beginnt ein neuer Zeitabschnitt für den VNP": Die Verlegerinnen Bärbel Schnell (links) und Sabine Schnell-Pleyer. © VNP

Im 2011 erbauten Cube an der Kressengartenstraße zieht der VNP auf 4800 Quadratmetern ein. Lichte Räume, viel Platz, breite Gänge, kurze Wege: Der Cube ist frei von Schwere - und wird, davon ist Michael Husarek überzeugt, eine neue Nähe schaffen. Husarek hat gerade seinen Arbeitsplatz für den 18. Februar gebucht, an diesem Tag, seinem ersten im Cube, wird der Chefredakteur des VNP dann neben den IT-Spezialisten arbeiten, am nächsten vielleicht neben den für den Lesermarkt zuständigen Kollegen.

"Das wäre mir in unserer alten Welt nie passiert", sagt Husarek noch in seinem Chefbüro an der Marienstraße, das zwar auch jedem jederzeit offenstand – aber jetzt ist er für alle sichtbar mittendrin in einer Arbeitswelt, die er sich "super-inspirierend" vorstellt. Das "Silo-Denken", wie Husarek sagt – jede Abteilung für sich, geschlossene Räume – gehört zum Ballast, den man mit einem Umzug loswerden kann. "Wir werden über alle Abteilungen eng kooperieren, im eigenen Haus neue Bekanntschaften schließen und Begegnungsstätten schaffen", sagt der Chefredakteur, offen "für Lob, Kritik, für neue Ideen, Überraschungen".

Der VNP: Arbeitgeber - und Heimat

Wer schon lange im Verlag arbeitet, hat es als junger Mensch so erlebt: Ein Redakteur besuchte, um bei einem Kaffee den Seitenspiegel zu besprechen, die Anzeigendisposition, stand bei der Zeitungseitenproduktion mit den Metteuren am Umbruchtisch und schaute am Abend im Druckhaus vorbei. Es war ein großes Wir. Die digitale Welt, die Zukunft der Medien, hat neue, faszinierende Möglichkeiten eröffnet, aber Bürogemeinschaften auch anonymer gemacht.

"Wir werden über alle Abteilungen eng kooperieren, im eigenen Haus neue Bekanntschaften schließen und Begegnungsstätten schaffen" - der Cube.

"Wir werden über alle Abteilungen eng kooperieren, im eigenen Haus neue Bekanntschaften schließen und Begegnungsstätten schaffen" - der Cube. © Stefan Hippel

Wer sind wir, wie machen wir das Beste aus unseren Möglichkeiten? Diese Fragen müssen sich Medien immer wieder neu stellen. Die gedruckte Zeitung ist und bleibt ein starker Teil, ein Aushängeschild des VNP, aber das Wir, das Leserinnen und Leser einschließt, umfasst längst auch die digitalen Angebote. Enger zusammenrücken und weiter denken: "Die neue Arbeitsumgebung wird unseren Transformationsprozess beschleunigen", sagt Michael Husarek. Und zu neuen Ufern kann es, hübsche Randnotiz, über den Wöhrder See gehen, mit einem Tretboot, das gemietet werden soll – für, so die Idee des Chefredakteurs, vertrauliche Gespräche oder auch Interviews. "Ich bin den Verlegerinnen dankbar, dass wir nicht wie andere auf eine Wiese weit draußen ziehen", sagt Michael Husarek, "dass wir in der Stadt bleiben, für alle sichtbar, für alle offen."

"Etwas Wehmut" werde ihn natürlich auch begleiten. Das 1976 erbaute, in die Jahre gekommene Pressehaus "ist ja ein Stück Tradition, Räume sind Wegbegleiter", sagt Husarek, "und ich verstehe, dass es bei Menschen, die eine gewohnte Umgebung verlassen, auch ein paar Sorgen und Ängste gibt." Wer hier arbeitet, ist dem Haus, dem Verlag, eng verbunden, oft über viele Jahrzehnte. Der VNP ist Arbeitgeber – und ein Stück Heimat, ein solcher Umzug ist mit vielen Emotionen verbunden.

Auch Thomas Patzke, Leiter der Bauabteilung des VNP, hat davon gehört – und vorab 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den Cube geführt. "Zwei haben kundgetan, dass es ihnen nicht so gut gefällt", erzählt Patzke, der sich über die große positive Resonanz erkennbar freut. Über ein Jahr lang hat seine Abteilung alles vorbereitet. "Und alles war herausfordernd", sagt Patzke, "die schiere Anzahl an Arbeitsplätzen, die technischen Voraussetzungen, die wir als modernes Medienhaus brauchen, eine angenehme Gestaltung der Räume – es waren intensive Monate." Thomas Patzke ist gespannt darauf zu sehen, wie jetzt das Leben einzieht.

Verbunden mit "wunderschönen, prägenden Erinnerungen": Das Sandsteinhaus und das Pressehaus an der Marienstraße.

Verbunden mit "wunderschönen, prägenden Erinnerungen": Das Sandsteinhaus und das Pressehaus an der Marienstraße. © Michael Matejka/NN

Ob sie auch ein wenig nervös ist? Aber ja, sagt Bärbel Schnell. Seit 38 Jahren gehört sie zum Unternehmen, und mit dem Pressehaus ist sie ein Leben lang verbunden. "Meine Geschwister und ich sind hier ja schon als Kinder durch die Räume getobt", erzählt sie – die Räume, in denen ihr Vater, der große Verleger Bruno Schnell, hier eines der profiliertesten Verlagshäuser im Land aufbaute.

"Es sind wunderschöne, prägende Erinnerungen", sagt Bärbel Schnell, "da muss ein Abschied natürlich auch ein bisschen weh tun – aber neben dem weinenden ist es vor allem das lachende Auge, mit dem wir umziehen". Und die schönen, motivierenden Erinnerungen ziehen mit um. Die Geschichte geht weiter, den Gedanken dürfe man, sagt Bärbel Schnell, gern als ein Signal verstehen, "und das beflügelt uns".

Wo einst Julius Streicher saß, entsteht ein Haus der Demokratie

Das Sandsteinhaus an der Marienstraße bleibt dem VNP erhalten. Es war die Residenz des Nazi-Gauleiters Julius Streicher, nach dem Ende des Terror-Regimes zog hier Joseph E. Drexel, Gründer der "Nürnberger Nachrichten", ein. Nun soll der bisherige Sitz der Verlagsleitung ein Haus der Demokratie werden – Heimat eines Wertes, für den der VNP seit seiner Gründung und heute mit Bärbel Schnell und Sabine Schnell-Pleyer als Verlegerinnen und Bürgerinnen betont einsteht.

"Unsere DNA bleibt unverändert", sagt Chefredakteur Husarek, und unverändert bleibt auch der wichtigste Anspruch, der Sinn der Arbeit eines jeden Medienhauses: "Im Mittelpunkt stehen unsere Kunden, die Leserinnen und Leser."