
Partnervermittlerin und Psychologe im Interview
So toll ist Liebe im Alter: Menschen über 60 haben diese Wünsche an ihren neuen Partner
Zählten ältere Menschen schon immer zu Ihren Kunden?
Ingrid Kreuzer: Erst seit etwas mehr als zehn Jahren. Die Gesellschaft hat sich verändert. 60 ist heute nicht mehr alt. Früher hat man die Enkel betreut, heute macht man Reisepläne. Man sucht einen Partner für die Freizeitgestaltung und zum Ausleben gemeinsamer Interessen. Die Menschen wollen nicht zu Hause herumsitzen.
Markus Ernst: Jemand, der 60 ist, hat eventuell noch 30 Jahre vor sich. Nach dem Tod des Partners oder einer Scheidung gestatten es sich heute mehr Menschen, noch einmal eine Beziehung einzugehen. Früher galt das für die Betroffenen und ihr Umfeld stärker als Verrat. Das hat sich geändert, und dennoch fragen mich viele, woran sie merken, dass sie wieder bereit sind für eine Beziehung. Es gibt kein Patentrezept. Manchmal dauert es wenige Monate, manchmal fünf Jahre.
Kreuzer: Tendenziell kommen die Männer früher zu mir, manchmal im gleichen Monat nach dem Tod der Partnerin. Manche Frauen kommen erst nach Jahren. Sie konzentrieren sich auf sich selbst, verarbeiten die Trauer, schließen sich mit ihren Freundinnen zusammen, kümmern sich um die Enkel. Mein Appell: Lösen Sie sich früher aus der Trauer, oder bewältigen sie sie gemeinsam mit einem neuen Partner. Das macht es leichter.
Wie wirkt sich die Vorgeschichte auf eine neue Beziehung aus?
Ernst: Einerseits dürfen sich die neuen Partner nicht das Gefühl geben, sie verglichen einander mit den alten. Andererseits darf die Vorgeschichte nicht totgeschwiegen werden, sonst kann die Beziehung nicht funktionieren. Wenn etwa eine Frau traurig ist, weil sich der Todestag ihres verstorbenen Mannes jährt, braucht sie das Verständnis vom neuen Partner. Offenheit und Akzeptanz sind wichtig – übrigens auch in Bezug auf das familiäre Umfeld und den Freundeskreis. Die meisten wünschen sich, dass sich die neue Liebe gut einfügt.
Zieht man im Alter noch mal zusammen?
Kreuzer: Viele Frauen möchten das nicht mehr. Sie haben sich in ihrem Alleinsein eingerichtet, sind vielleicht noch mal beruflich durchgestartet, lernen eine Fremdsprache, haben die Wohnung schick eingerichtet. Die wollen nicht wieder einem Mann die Socken wegräumen. Die Herren hingegen wünschen sich meist einen gemeinsamen Haushalt, dabei spielt es durchaus eine Rolle, dass sie zeit ihres Lebens die Fürsorge einer Partnerin genossen haben und ihnen das jetzt fehlt. Viele denken aber auch um und lernen zum Beispiel kochen.
Schaut man in dem Alter noch auf das Aussehen?
Kreuzer: Durchaus. Der Mann wünscht sich eine attraktive schlanke Frau, die lächelt und ihre Formen zeigt. Die Frau achtet eher darauf: Wie kleidet er sich? Ist er gepflegt? War er beim Friseur? Allerdings merke ich, dass nach fast zwei Jahren Corona und zunehmender Einsamkeit die Ansprüche etwas heruntergeschraubt werden. Männer sind demütiger geworden, sie besinnen sich verstärkt auf das Wesentliche, Hauptsache, sie sind nicht mehr allein. Dann muss die Frau auch nicht mehr unbedingt blond sein.
Ernst: Attraktivität hat keinen ganz so hohen Stellenwert mehr. Viel wichtiger sind gemeinsame Interessen und Hobbys, dass sich der neue Partner für die Lebensgeschichte interessiert. Harmonie spielt eine große Rolle.
Welche Rolle spielt die Sexualität?
Ernst: Die ist nach wie vor wichtig. Meistens fragen mich die Klienten, ob sie das Thema schon im Profil erwähnen sollen oder wann der beste Zeitpunkt ist, das anzusprechen. Ein Vorteil dieser Altersgruppe: Sie kann Sexualität ohne Zeitdruck und den Druck der Familienplanung ausleben.
Kreuzer: Rund 70 Prozent meiner weiblichen und 90 Prozent meiner männlichen Klienten wünschen sich Sexualität und Körperkontakt. Allerdings geht es oft vor allem um Händchenhalten und Hautkontakt, wie zum Beispiel sich in den Arm zu nehmen. Der reine Akt spielt eine geringere Rolle.
Macht man es in dem Alter besser in der Liebe?
Ernst: Wie gesagt, Menschen über 50 haben den großen Vorteil, dass äußere Zwänge wie Familienplanung oder Karriere wegfallen. Da setzen sich junge Menschen sehr unter Druck, nach dem Motto: Jetzt muss es klappen. Ein weiterer Vorteil ist, dass man sich selbst besser kennt und weiß, was bzw. wer einem guttut, welche Suchmuster sich bewährt haben. Der Nachteil: Man setzt viele Filter eventuell zu früh, beschränkt etwa den Suchradius auf 50 Kilometer oder schließt Raucher per se aus. Da sollte man kompromissbereiter sein.
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