Hier rauschen alle nur auf dem Weg nach GB durch: Calais mit seinem tollen Sandstrand.
© Matthias Niese
Hier rauschen alle nur auf dem Weg nach GB durch: Calais mit seinem tollen Sandstrand.

Wir hatten die Nase voll vom Süden

Strandurlaub ohne Hitze, Stau, Rummel - und dennoch nah: Das geht in Frankreich bei den Scht‘is

Die Sommerferien im Süden waren uns im vergangenen Jahr einfach zu heiß - und es wird ja immer heißer. Noch Ende August hatten wir in Kroatien tagelang mehr als 35 Grad. Wir lagen einfach nur am Strand, weil wir wegen der Hitze nichts unternehmen konnten. Dabei entdecken wir auch gern mal eine Region - nur am Strand zu liegen, ist uns zu fad. Also haben wir beschlossen, dieses Jahr ganz woanders ans Meer zu gehen.

Wo es nicht so heiß ist, wo wir Neues entdecken können. Wo wir auch nicht länger hinfahren. Und haben mit der Opalküste in Nordfrankreich (Hauts-de-France) eine tolle, unbekannte Ferienregion, die noch vor der Normandie und etwas in ihrem Schatten liegt, intensiv mit allen Sinnen erlebt.

Auf dieser Sandbank im Delta der Somme haben wir vom Strand aus eine Seehund-Kolonie beobachtet.

Auf dieser Sandbank im Delta der Somme haben wir vom Strand aus eine Seehund-Kolonie beobachtet. © Matthias Niese

Uns hat zudem schon lange die ewig gleiche Ferienstrecke über die Brenner- oder Tauernautobahn genervt, stets mit Stau und obendrauf noch ordentlich Maut. Exakt die 850 Kilometer, die wir von Nürnberg nach Rimini, in die Toskana oder ins kroatische Dalmatien fahren würden, fuhren wir nun nach Nordwesten - völlig Stau- und Mautfrei via Belgien bis nach Boulogne-sur-Mer in Frankreichs nördlichster Region.

Das Meer ist dort natürlich nicht so warm wie das Mittelmeer, prima baden können wir hier dennoch. Die Strände an der Opalküste - der Abschnitt des Ärmelkanals zwischen Dünkirchen, Calais und der Mündung der Somme, sind genauso feinsandig und bei Ebbe besonders weit. Sie liegen vor Dünen und weißen Klippen wie dem Cap Gris und dem Cap Blanc-Nez mit bunten Badehäuschen und einer Infrastruktur, wie man sie von französischen Stränden gewohnt ist. Hier haben wir bei teils wechselhaftem Wetter nicht nur geschwitzt, sondern entspannt und dennoch viel unternommen in einer Region, die zum französischen Teil Flanderns gehört.

Hier essen sie Fritten und Backsteinkäse - und trinken gutes Bier

Die belgische Grenze ist nicht weit, die Orte tragen niederländisch-flämisch klingende Namen wie Dunkerque, Audinghen oder Huplandre. Der Norden (Hauts-de-France) ist denn auch die einzige Region Frankreichs, in der sie überall ein prima Bier belgischer Brauart servieren, zu jedem traditionellen Gericht reicht man Fritten.

Überall findet man Frittenbuden - die Kinder hatten nichts dagegen.

Überall findet man Frittenbuden - die Kinder hatten nichts dagegen. © Matthias Niese

Unvergessen ist uns der Backstein, der im Magen lag, als wir das typische Welsh verputzt hatten: Ein rechteckiges Pfännchen mit Schichten aus Brot, Schinken, randvoll befüllt mit einem Berg von Cheddar und obendrauf noch überbacken mit dem regionalen Marouille-Stinkerkäse. Sie mögen es deftig hier und sind stolz darauf.

Denn wir sind hier bei den Ch‘ti, diesem vom Rest Frankreichs als wundersam betrachteten Völkchen, dem 2008 mit dem Kinofilm "Willkommen bei den Sch’tis" die erfolgreichste französische Komödie aller Zeiten gewidmet wurde - auf die sie wegen der vielen vermeintlich falschen Klischees nicht gern angesprochen werden. In dieser so ganz besonderen Region haben wir ein paar besonders tolle Orte entdeckt, die Sie unbedingt bei Ihrem Urlaub an der Opalküste besuchen sollten.

Haben Sie Kinder dabei? Dann fahren Sie mit ihnen einen Tag in den Freizeitpark Bagatelle. Die Kleinen finden hier etwa mit Karussell oder Bimmelbähnchen genauso ihre Fahrgeschäfte wie die Großen, die den ganzen Tag Autoscooter, eine der Achterbahnen oder Wildwasserbahn fahren könnten - dazu gibt es mehrere Shows täglich. Selbst in der Hauptsaison Ende August mussten wir am Wochenende kaum anstehen - da vergeht der Tag wie im Flug.

Achterbahn im Parc Bagatelle.

Achterbahn im Parc Bagatelle. © Matthias Niese

Als Kontrast finden wir Ruhe in der Natur im Marschland, das sich hinter dem Städtchen Saint-Omer im Hinterland ausbreitet. Wir laufen über Holzstege hinein ins Naturschutzgebiet und erspähen durchs Schilf einige der vielen Vogelarten, die hier unweit der belgischen Grenze unbehelligt auf und am Wasser leben. Danach fahren wir ab dem Infozentrum mit einem Elektroboot durch die Kanäle des Städtchens, wo die Post noch per Boot zu den Häusern gebracht wird. Besuchen sie auch die Klosterbrauerei in der alten Abtei von Clairmarais und nehmen Sie sich unter anderem ein Schinkenbier als Souvenir für den Abend mit.

Vogelbeobachtung im Marschland von Saint-Omer.

Vogelbeobachtung im Marschland von Saint-Omer. © Matthias Niese

Großbritannienfahrer gehen in Calais in den Tunnel oder auf die Fähre und lassen den Ort meist unbeachtet liegen - doch stehen sie dann an Deck, sehen sie bei der Ein- oder Ausfahrt des Fährhafens ein Monster Feuer speien und fauchen. Wer nicht schnell genug davonläuft, wird mit einer Wasserfontäne weggepustet. Seit 2019 fährt hier ein Drache mit Touristen auf seinem Rücken auf und ab. Danach flanieren sie auf der neu gestalteten Strandpromenade mit Frankreichs größten Skaterpark oder sehen vom feinsandigen Strand den Fähren beim Ein- und Auslaufen zu.

Dieses Ungeheuer schnauft die Passanten wüst an - ein Hingucker in Calais.

Dieses Ungeheuer schnauft die Passanten wüst an - ein Hingucker in Calais. © Matthias Niese

Leider blies an einem Morgen kaum Wind, wir konnten den Strandsegelkurs in Boulogne-sur-Mer vergessen, wo wir mit dreirädrigen Flitzern und Surfsegel übers Watt gesaust wären. Zum Glück, denn so hätten wir keinen ganzen Tag Zeit für Nausicaa gehabt, das größte Aquarium und Meereszentrum Europas. Wir sind hier schon morgens auf der Rolltreppe in die Tiefsee abgetaucht, in gläsernen Tunneln durch die imaginäre Hochsee weit vor der Küste Kolumbiens gelaufen und haben durch eine riesige Glaswand Haie, Mantarochen, Schildkröten und Quallen bewundert. Selten haben sich die Kinder nach dem Mittagessen so gefreut, noch im "Museum" bleiben zu dürfen.

Das größte Aquarium Europas von Nausicaa.

Das größte Aquarium Europas von Nausicaa. © Matthias Niese

Dass das Museum hier angesiedelt ist, hat einen Grund: Die Stadt ist Frankreichs größter Fischereihafen und Europas wichtigster Umschlagplatz für Fisch - im Zentrum finden Sie auch einen kleinen lokalen Fischmarkt, wo Boote ihren Fang anbieten. Napoleon wollte von hier aus nach dem nahen England greifen und war immer wieder in der hübschen, komplett erhaltenen Altstadt mit Burg und einer Basilika mit Krypta, die viel größer sind, als man hier vermuten würde.

Sie haben genug von Fritten? Sie sind schließlich in Frankreich und möchten außergewöhnlich gut in toller Atmosphäre und dennoch vergleichsweise günstig essen gehen? Dann gönnen Sie sich ein Menü in Cool K‘Cahuète, einem Pop-up-Restaurant mit zwei gläsernen Kuppeln auf den Klippen über Equihen-Plage, das von einem Idealisten-Ehepaar betrieben wird und die ausgefallensten Gerichte mit regionalen Zutaten serviert - der perfekte Abschluss in einer außergewöhnlichen Region.

Strandurlaub ohne Hitze, Stau, Rummel - und dennoch nah: Das geht in Frankreich bei den Scht‘is

© gute reise Infografik

Mehr Informationen zur Destination:

Hauts-de-France Tourismus, www.nordfrankreich-erleben.com www.nordfrankreich-erleben.com/die-reisehandbuecher-zum-herunterladen/familienabenteuer-an-der-opalkueste Anreise: Mit dem Auto ab Nürnberg an die Opalküste 840 Kilometer via Köln und Brüssel. Beste Reisezeit: Mai bis Oktober. Quartier: Ferienwohnungen von Evancy in Equihen-Plage im Zentrum der Opalküste Reiseliteratur: Nordfrankreich - Picardie, Côte d’Opale, Calais (Reise-Know-How, 22,90 Euro); Entdeckertouren mit dem Wohnmobil Normandie (Womo-Verlag, 26,00 Euro). Die verschiedenen Routen können Sie auch toll mit PKW und Quartier auf den vielen Campingplätzen mit Zelt oder Hütten nachfahren. Außerdem für Individualisten: Normandie (Michael-Müller-Verlag, 22,90 Euro).

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