
Kommentar
Zu früh für einen Schlussstrich: Es braucht Antworten zu Impffolgen und Long Covid
Wir alle sind pandemie-müde. Der lange Ausnahmezustand, der die Jahre 2020 und 2021 überschattete, war einfach genug. Das Wort Corona sorgt heute längst nicht mehr für Ängste, sondern nur noch für genervte Gesichter. Völlig berechtigt ist daher der Wunsch nach Normalität, gar nach Vergessen. Doch die Pandemie muss uns als Gesellschaft weiterhin beschäftigen - insbesondere die Politik und Wissenschaft. Dabei darf es nicht darum gehen, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und Schuld zuzuweisen - was hinter vielen Rufen nach Aufarbeitung steckt. Sondern vielmehr darum, Lehren zu ziehen.
Mit der schnellen Entwicklung von Impfstoffen und Coronatests hat die Wissenschaft während der Pandemie enorm wichtige Arbeit geleistet. Doch hier darf nicht Schluss sein: Nun gilt es, die gesundheitlichen Folgen der Pandemie detailliert zu untersuchen - und die Ergebnisse öffentlich zugänglich zu machen.
Das ist man nicht zuletzt den Menschen schuldig, deren Leben seit der Pandemie aus den Fugen geraten ist. Menschen, die an Long Covid erkrankt sind und inzwischen seit mehreren Jahren mit dieser Erkrankung kämpfen, die kaum mehr am gesellschaftlichen Alltag teilnehmen können. Und Menschen, die seit der Impfung am Post-Vac-Syndrom leiden, an Symptomen, die Long Covid ähneln.
Verlässliche Daten für die Anerkennung von Impfschäden sind essentiell
Die Forschung muss Klarheit schaffen: In welchen Fällen kann die Impfung, in welchen Fällen eine Corona-Infektion als Ursache festgestellt werden? Das ist nicht nur wichtig für die Entwicklung künftiger Impfstoffe, sondern stellt auch eine politisch brisante Frage dar. Denn durch Vorgaben wie die 2G-Regel war der Druck, sich impfen zu lassen, in Deutschland hoch. Auch wenn die Fallzahlen sehr gering sind, dürfen diejenigen nun nicht vergessen werden, die möglicherweise Folgeschäden davongetragen haben. Für sie ist es jedoch schwer, Entschädigungen zu erhalten, denn Post-Vac zählt in Bayern nicht zu den anerkannten Impfschäden. Um das zu ändern, braucht es verlässliche Daten.
Klare Forschungsergebnisse rund um Long Covid und Post-Vac können zudem einen Beitrag dazu leisten, das Vertrauen von Menschen zurückzugewinnen, die seit der Pandemie verunsichert sind: durch Einzelfälle, die viel Aufsehen erregten, durch mangelnde Daten, die solche Einzelfälle hätten einordnen können, und durch Akteure, die sich die Ängste zunutze machten, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen.
Der transparente Umgang mit Forschungsergebnissen rund um das Coronavirus kann helfen, diese Verunsicherung Stück für Stück wieder abzubauen. Intensive Forschung rund um die medizinischen Folgen der Pandemie, wie sie etwa gerade am Uniklinikum Erlangen stattfindet, zeigt Betroffenen, dass ihr Leiden ernst genommen wird und schenkt ihnen Hoffnung. Denn so sehr wir uns alle Normalität und eine Zeit „nach Corona“ wünschen - solange es nicht für alle ausgestanden ist, ist es zu früh, einen Schlussstrich zu ziehen.
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