Pro - US-Rückzug von der Weltbühne

Was habt ihr denn? Donald Trump tut, was viele Linke in Deutschland seit Jahrzehnten fordern

Manuel Kugler

Leitung Newsdesk

E-Mail zur Autorenseite

8.2.2024, 15:00 Uhr
Goodbye, America: Donald Trump will die Ressourcen der USA lieber im eigenen Land einsetzen als in der Ukraine.

© Andrew Harnik, dpa Goodbye, America: Donald Trump will die Ressourcen der USA lieber im eigenen Land einsetzen als in der Ukraine.

Eigentlich müssten sich die Deutschen, die sich politisch am ganz linken Rand verorten, zumindest in dieser Hinsicht über Donald Trump freuen. Denn der tut genau das, wovon sie seit langem träumen. Amerika solle sich doch bitte um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, seine endlosen Kriege beenden, fordern sie - und das teils seit Jahrzehnten. Amerika, wenn du gar nicht anders kannst, dann prügel, wenn du dich prügeln musst, in deinem eigenen Land: Wahrscheinlich ist es seltsam, in einem Kommentar Herbert Grönemeyer zu zitieren, hätte der diese linke Selbstverständlichkeit nicht so gut in wenige Zeilen gebracht.

Schluss mit der reflexhaften Empörung über Trump

Um diejenigen, denen ob meiner Einschätzung nun die Wut ins Gesicht steigt, zu beruhigen: Natürlich ist ziemlich vieles, was Donald Trump tut, katastrophal, für Amerika, für die Welt - mein Kollege Alexander Jungkunz skizziert es ja treffend. Trotzdem täten wir alle gut daran, die reflexhafte Empörung über Trump und grundsätzlich alles, was er sagt und tut, abzulegen.

Donald Trump steht durchaus in einer langen Tradition amerikanischer Geschichte. Seit seiner Gründung ist das Land hin- und hergerissen zwischen dem Impuls, den eigenen Werten auf der Welt zur Geltung zu verhelfen, und dem widerstreitenden Gedanken, sich aus den Verstrickungen internationaler Politik herauszuhalten - und allenfalls als leuchtendes Beispiel, als metaphorische "City on the Hill", zu wirken.

Mit Isolationismus ist diese Haltung immer allzu schlicht beschrieben worden. Donald Trump ist kein friedliebender Isolationist. Der Historiker Walter Russell Mead hat für ihn und viele andere deshalb den Begriff der Jacksonians geprägt: Mead argumentiert, die Erfahrungen an der "frontier" des Wilden Westens wirkten in Amerikas Außenpolitik nach: Wie die Siedler an Amerikas Westgrenze könnten sich die Vereinigten Staaten in der Welt nur auf sich selbst verlassen. Sie wollten vor allem in Ruhe gelassen werden, müssten, um sich Respekt zu verschaffen, im Fall eines Übergriffs aber mit allen verfügbaren Mitteln zurückschlagen.

Wie Trump auf den Terror von 9/11 reagiert hätte

Anders formuliert: Auch Trump hätte auf den Terror von 9/11 mit Angriffen reagiert; auf die Idee, anderswo eine Demokratie installieren zu wollen, wäre er aber nicht gekommen. Ähnliches ist auch künftig zu erwarten, sollte er tatsächlich noch einmal ins Weiße Haus einziehen.

Die Kritik, die sich an den mit ihm drohenden Rückzug Amerikas festmacht, offenbart deshalb vor allem etwas über uns selbst. Nämlich wie unangenehm die Aussicht ist, selbst Verantwortung übernehmen zu müssen. Vielen Deutschen fällt das schon im eigenen Leben ziemlich oft ziemlich schwer.

Verwandte Themen


Keine Kommentare