Kanzler Scholz fehlt Empathie

Warum die SPD ein Jahr vor der Bundestagswahl in einem dreifachen Dilemma steckt

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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9.10.2024, 14:35 Uhr
Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, Matthias Miersch, kommissarischer Generalsekretär der SPD, und Saskia Esken, Bundesvorsitzender der SPD wollen den Wahlsieg von 2021 wiederholen. Nur wie?

© Florian Gaertner/IMAGO/ Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, Matthias Miersch, kommissarischer Generalsekretär der SPD, und Saskia Esken, Bundesvorsitzender der SPD wollen den Wahlsieg von 2021 wiederholen. Nur wie?

Als ob es nicht schon genug Anlass zur Sorge im Willy-Brandt-Haus gäbe, musste die SPD nun auch noch überraschend den Generalsekretär tauschen. Der Kevin-Kühnert-Nachfolger wird solide arbeiten, doch mehr sollte von Matthias Miersch nicht erwartet werden.

Überhaupt wäre es klug, den Ball flach zu halten. Umfragen sehen die Partei unterhalb der 20-Prozent-Marke. Und somit weit, weit entfernt von den derzeitigen Werten der Union. Eigentlich bräuchte die SPD - Stand Oktober 2024 - gar keinen Kanzlerkandidaten aufstellen. Selbstverständlich wird es einen geben, aller Voraussicht nach den amtierenden Regierungschef Olaf Scholz. Ein Wechsel zu Boris Pistorius, vor wenigen Wochen noch im Bereich debattiert, scheint den Strategen zu gewagt.

Mit dem Nicht-Erklärer Scholz geht es somit weiter, womöglich in Richtung schlechtestes Wahlergebnis der langen Parteigeschichte. Warum ist das so? Ein Grund liegt sicherlich im verwässerten Profil der Sozialdemokratie. Während die Grünen ihre Flügelkämpfe weitgehend hinter sich gebracht hatten (neuerdings brechen die alten Gräben wieder auf), stehen in der SPD Realos wie Kanzler Scholz den Fundis vom linken Flügel gegenüber.

Wen will die SPD bei der Wahl ansprechen?

Kühnert war so eine Art Ausgleichsfigur, als Ex-Juso-Chef von links außen kommend, vertrat er die nicht kleine Fraktion der Sozialromantiker. Diese Korrektivfunktion fällt nun weg - und doch geht es ein Stück zurück nach links. Ein laxer Umgang mit der Schuldenbremse soll die Ausgaben für Bürgergeld, Rentensicherung und Arbeitsplatzsicherung finanzieren, so lautet das Credo dieser Gruppe.

Das wäre ein Roll-Back, allerdings mit einem Pferdefuß. Denn die Klientel, die die Genossen ansprechen wollen, ist längst verloren. Junge Zielgruppen sind im Osten bei der AfD, im Westen votieren sie konservativ oder grün. Die mittleren Jahrgänge, etwa die Familien, fühlen sich von der SPD ohnehin kaum mehr vertreten und haben sich neu orientiert.

Bleiben die Rentner, um deren Gunst andere ebenfalls erfolgreich buhlen. Strategisch verzwickt, so könnte die derzeitige Lage der SPD beschrieben werden. Für eine programmatische Neubesinnung ist es ein Jahr vor der Bundestagswahl jedoch zu spät, längst schmieden die PR-Agenturen an ersten Entwürfen für den Wahlkampf. Das ist das Problem Nummer eins der SPD.

In so einer vertrackten Situation könnte ein empathischer Spitzenkandidat helfen - doch ob Olaf Scholz aus der Ampeldepression herausfindet und dann auch noch kommunikatives Talent an den Tag legt, daran zweifeln auch ihm sehr nahestehende Parteifreunde, der zweite wunde Punkt...

Die "Respekt"-Kampagne von 2021 lässt sich nicht wiederholen, dafür hat die SPD zu viel Respekt eingebüßt. Außerdem, auch hier steckt die staatstragende Partei in einer Falle, rechnet eh jeder damit, dass die SPD einen guten und verlässlichen Juniorpartner in einer unionsgeführten Bundesregierung abgeben würde. Das ist Malus Nummer drei.

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