Krise der Sozialdemokraten

Verliert die SPD auch ihr Stammland Brandenburg, wird es für Olaf Scholz eng

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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5.9.2024, 10:54 Uhr
Winken zum Abschied? Noch sitzt Olaf Scholz fest im Sattel, die Wahl in Brandenburg wird womöglich auch über seine Zukunft mit entscheiden.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur Winken zum Abschied? Noch sitzt Olaf Scholz fest im Sattel, die Wahl in Brandenburg wird womöglich auch über seine Zukunft mit entscheiden.

Früher war alles besser - ein Satz, der zurecht in die Rubrik Blödsinn eingestuft werden kann. Mit Blick auf die SPD sieht das womöglich anders aus: Denn der Absturz der Kanzlerpartei nimmt dramatische Züge an. Wer am Wahlabend den angesichts des Wiedereinzugs in die Landtage von Sachsen und Thüringen offenbar erleichterten Generalsekretär Kevin Kühnert gehört hat, kann sich nur verwundert die Augen reiben.

Ist es wirklich schon so schlimm, dass das Führungspersonal die Hoffnung aufgibt? Es scheint so zu sein. Klar, dass es in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion brodelt, die Klausur im brandenburgischen Nauen wird kein Zuckerschlecken. Jeder zweite der dort anwesenden Abgeordneten könnte - sinkt der Stern der SPD weiter - 2025 das Bundestagsmandat verlieren.

Es droht die Verzwergung auf Bundesebene

Den Sozialdemokraten droht bei der nächsten Bundestagswahl auch auf nationaler Ebene die Verzwergung. Ein Trend, der in vielen Ländern längst erkennbar ist. In Bayern liegt die Partei stabil unter zehn Prozent, in Thüringen und Sachsen nur mehr knapp über fünf - und im Bund droht ein Absturz auf 15 Prozent. Quo vadis, SPD?

Schnelle Antworten muss die Klausurtagung liefern, ein Weiter-so verbietet sich schon mit Blick auf die Landtagswahl in Brandenburg am 22. September. Dort regiert ununterbrochen seit 1990 ein SPD-Ministerpräsident. Amtsinhaber Dietmar Woidke würde dies gerne auch weiterhin tun - falls die SPD stärkste Kraft werden sollte. Da das keineswegs sicher ist, könnte es für Olaf Scholz bald eng werden.

Zwar ist das politische Schicksal eines Bundeskanzlers formell nicht an Wahlausgänge in Ländern gebunden, doch ein erneutes Debakel noch dazu in einem SPD-Stammland könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Zumal Zweifel an der Führungsstärke des Kanzlers seit längerem vernehmbar sind, bislang wurde darüber eben allerdings noch nicht auf offener Bühne gesprochen. Diese undankbare Rolle könnte Parteichef Lars Klingbeil zufallen, der anders als Saskia Esken, für die aus SPD-Reihen schon ein Talkshowverbot gefordert wurde, weiterhin relativ unangefochten an der Spitze der SPD steht.

Übernimmt Boris Pistorius?

Die Frage, mit welchem Spitzenpersonal die Sozialdemokraten in den Wahlkampf 2025 (falls die Ampel überhaupt so lange durchhält) ziehen, ist parteiintern längst eine viel diskutierte: Soll Boris Pistorius, der in der Beliebtheitsskala mit weitem Abstand vor Olaf Scholz liegt, übernehmen? Das wäre ungewöhnlich, doch die Lage der SPD ist zu ernst, um nicht auch über außergewöhnliche Schritte nachzudenken.

Denn das Parteiensystem in der Bundesrepublik ist derzeit von einem äußerst dynamischen Wandel geprägt - ein Wandel, der auf Traditionsparteien wie die SPD keinerlei Rücksicht nimmt. AfD und BSW, die Sieger der jüngsten Wahlen, ziehen beide Stimmen von der SPD ab. Eine Entwicklung, deren Ende noch nicht absehbar ist. Womöglich heißt es bald unter Genossinnen und Genossen: Früher war alles besser …

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