Bund und Land sind verquickt

Verkehrte Welt: Der Kanzler könnte wegen des kleinen Brandenburg kippen

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent

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19.9.2024, 18:55 Uhr
Zwei, deren Schicksal verknüpft ist: Ministerpräsident Dietmar Woidke und Kanzler Olaf Scholz.

© Sebastian Gollnow/dpa Zwei, deren Schicksal verknüpft ist: Ministerpräsident Dietmar Woidke und Kanzler Olaf Scholz.

Man stelle sich nur mal vor, Friedrich Merz und Markus Söder hätten die K-Frage in der Union nicht schon zu Wochenbeginn geklärt. Dann würde sich am Sonntag vermutlich kaum jemand für die Wahlentscheidung von zwei Millionen Brandenburgern interessieren. Es ginge nur darum, ob, wann und wie der Kandidat Merz jetzt endlich loslegt.

Leider werden regionale Wahlen - von den Betroffenen ebenso wie außerhalb - inzwischen nur noch als Test für das große Ganze verstanden. Es gibt zwar landespolitische Fragen in Hülle und Fülle, aber die rücken gnadenlos in den Hintergrund. Das lässt ein wenig daran zweifeln, ob Bürgerinnen und Bürger (und die Medien!) das föderale System Deutschlands überhaupt noch wertschätzen.

Es mag zwar reizvoll sein, die ungeliebte Bundesregierung bei jeder Gelegenheit abzustrafen und der Opposition Auftrieb zu verschaffen. Aber sinnvoll ist das nicht. Was hat die Wut auf die Ampel mit der brandenburgischen Wirtschaftspolitik oder mit der Ausstattung der Landespolizei zu tun?

Sahra Wagenknechts Meisterschaft

Sahra Wagenknecht hat es mit dieser Methode zur Meisterschaft gebracht. Sie trat/tritt in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gar nicht als Kandidatin an und war trotzdem die bestimmende Figur. Sie bespielte fast ausschließlich Themen, die bundesweit entschieden werden (Krieg, Migration) und nichts mit Landespolitik zu tun hatten. Und sie hatte auf Landesebene denkbar wenig zu bieten, schon gar keine Mitgliederbasis. Dennoch erzielte sie für eine neue Partei sensationelle Ergebnisse. Denkt man das System Wagenknecht zu Ende, dann können wir uns Landtagswahlen bald ganz sparen.

Zugegeben, Sahra Wagenknecht hat das Ganze nur auf die Spitze getrieben. Ein anderes Beispiel: Wenn bei der SPD jetzt ein Prozentpunkt mehr oder weniger in Brandenburg den Ausschlag geben kann, ob eine größere Personaldebatte über den Kanzler beginnt, dann ist das genauso ein Problem.

Die Partei sollte unbedingt über Olaf Scholz reden, wenn sie 2025 im Bund noch eine Chance haben will, aber sie sollte das nicht an einem der kleineren Flächenländer der Republik festmachen.

Denn es kann zum Beispiel sein, dass der kämpferisch auftretende Ministerpräsident Dietmar Woidke im Endspurt die Landes-SPD gerade mal noch an der AfD vorbeiführt und seine Partei die stärkste Kraft wird. Über die Beliebtheit des Bundeskanzlers sagt das aber rein gar nichts aus, sondern ausschließlich über den seit elf Jahren regierenden Landesvater Woidke.

Bei den Sozialdemokraten in Berlin würde nach einem halbwegs guten Brandenburger Ergebnis vermutlich erst mal wieder Ruhe herrschen - und zwar unter völliger Verkennung der bundesweiten Stimmung in der Bevölkerung. Mit der Realität hat das inzwischen alles nur noch sehr wenig zu tun.

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