Ein radikaler Bruch droht
US-Präsident legt Eid ab: Wie die politische Mitte auf Egomanen wie Trump reagieren muss
20.1.2025, 10:55 UhrDie gute Nachricht zu Beginn: Die Welt geht mit Donald Trumps Amtseinführung nicht unter. Nun die schlechte Nachricht: An den Abgrund kann der Milliardär den Westen durchaus führen. Auf den Fortbestand von Gewissheiten, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Europa geprägt haben, sollte sich jedenfalls niemand verlassen.
Denn Trump nimmt keine Rücksicht, er lässt sich nicht einhegen oder gar ruhigstellen. Die Grönländer bekommen das gerade zu spüren, vielleicht bald die Kanadier - und danach? Wer weiß. Wer glaubt, Trump sei unberechenbar, irrt dennoch. Denn der Mann folgt einem Plan.
Die Agenda der Populisten
Es ist die Agenda der Populisten, die autoritär durchgreifen, unter dem Deckmantel, ihrem Heimatland damit zu helfen ("Make America great again"). Sie regieren nationalistisch, grenzen Minderheiten aus - und tun all dies mit dem Ziel, sich selbst Vorteile zu verschaffen. Es gibt und gab sie allerorten: Putin, Erdogan, Orban, Bolsonaro, Lukaschenko, Duterte sind Vertreter dieser Spezies.
Trump bündelt all die Eigenschaften dieses Politikertypus - jede Faser seines Körpers, jeder Satz, den er von sich gibt, jede Geste zeigt das. Wenn der 47. Präsident der Vereinigten Staaten den Amtseid ablegt, beginnt ein spannendes Experiment. Eines, das es in den Naturwissenschaften schon oft gab. Regelmäßig werden dort Substanzen auf ihre Festigkeit getestet. Ein Beispiel: Eine Nudel hält viel aus - irgendwann bricht sie dennoch unter der Last, die ihr auferlegt wird.
Trump experimentiert leider nicht mit Spaghetti, sondern mit der US-Demokratie. Wie belastbar ist diese? Wo liegen die Sollbruchstellen? In vier Jahren kennen wir die Antwort. Wenn wir dann immer noch von den "Vereinigten" Staaten von Amerika sprechen, können wir froh sein.
Nun wäre es leicht, hier zu enden, um es sich auf der Zuschauertribüne des nun beginnenden Politthrillers in Washington bequem zu machen. Doch die Dinge sind komplexer, ein Trump fällt nicht vom Himmel, sein Erfolg ist auch nicht ausschließlich auf brüchigen Lügengeschichten gebaut.
Mit der disruptiven Botschaft lässt sich punkten
Nein, Trumps Erfolg beruht auf einer Wahrheit, die kaum einer aus der politischen Mitte wahrhaben will: Es ist derzeit offensichtlich erfolgsversprechend, die Zerstörung des alten Systems als zentralen Punkt ins Parteiprogramm aufzunehmen. Mit dieser disruptiven Botschaft lässt sich punkten, jedenfalls mehr als mit dem Sortiment der klassischen Mitte, das auf einer Rechts-Links-Skala zwar Unterschiede aufweist, in einem jedoch vereint ist: Das System soll, so wie es ist, bewahrt bleiben.
Trump käme so ein Satz nie über die Lippen, er steht für den radikalen Bruch, ja in den Augen seiner Wähler steht der Mann sogar für den Aufbruch. Doch wohin? In vier Jahren wird man sehen, dass dieses Vorgehen keines der Probleme löst. Es liegt an der politischen Mitte, ihre Lösungskompetenz bis dahin glaubhafter als derzeit zu vermitteln - in den USA wie in Europa.
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