"Biodeutsch" ist das Unwort des Jahres 2024. Constanze Spieß, Professorin am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft der Philipps-Universität Marburg und Sprecherin der Unwort-Jury, verkündet die Entscheidung.
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"Biodeutsch" ist das Unwort des Jahres 2024. Constanze Spieß, Professorin am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft der Philipps-Universität Marburg und Sprecherin der Unwort-Jury, verkündet die Entscheidung.

Populisten nutzen Sprache für sich

Unwort des Jahres: Vokabeln wie „biodeutsch“ spalten - und verdienen Widerspruch

"Biodeutsch" ist eine hässliche Vokabel, eine, die trennt - vermeintlich "echte" Deutsche von vermeintlich "falschen" Deutschen. Dieses Wort suggeriert, dass es Deutsche erster und zweiter Klasse gebe. Vor allem in den sozialen Medien hat "biodeutsch" 2024 für Furore gesorgt. Die Kür zum Unwort des Jahres ist konsequent und absolut richtig. Denn "biodeutsch" ist "eine Form von Alltagsrassismus", wie die Jury zurecht anmerkt.

Zunehmend wird Sprache auch durch Neuschöpfungen wie "biodeutsch" für die politische Diskussion instrumentalisiert - vor allem rechts außen agierende populistische Kräfte nutzen solche Vokabeln, um ihr schmutziges (und leider derzeit sehr erfolgreiches) Geschäftsmodell der Spaltung unserer Gesellschaft voranzutreiben.

Das letzte Unwort wurde nun von der AfD für salonfähig erklärt: Remigration

Vergangenes Jahr war es die - auf dem jüngsten AfD-Parteitag am Wochenende in Riesa für salonfähig erklärte - Vokabel "Remigration", die zum Unwort 2023 gewählt wurde. Fügt man "Pushback" (2021) "Rückführungspatenschaften" (2020) und "Anti-Abschiebe-Industrie" (2018) hinzu, ist eine Schwerpunkt erkennbar: Die Mehrzahl der Unwörter stammt aus dem Umfeld der Migrationsdebatte.

Zuwanderung ist, der Bundestagswahlkampf zeigt dies, zum politischen Thema Nummer eins geworden. Die AfD ist eine Partei, die ihren Aufstieg der Flüchtlingsdiskussion zu verdanken hat. Mit ihrer Tonalität bestimmt sie die Diskussion in den sozialen Netzwerken und gibt den Takt vor.

Nachdem Worte nicht nur verletzen, sondern auch spalten können, sollte der Unwort-Kür mehr Beachtung geschenkt werden. Zu vieles wird dem freien Spiel der Kräfte überlassen - siehe "Remigration". Es war genau dieses Wort, das Millionen Menschen empört und anschließend für Massendemonstrationen gesorgt hat. Danach wurde es still, Alice Weidel sieht sich ein Jahr später sogar in der Lage, offen ihre Remigrations-Fantasien zu benennen. Das hätte nicht passieren dürfen!

Die Mitte der Gesellschaft muss konsequenter und nachhaltiger dagegenhalten. Zuwanderer sind keine Sachen, es geht um Menschen. Deren Schicksale sind höchst unterschiedlich und gewiss nicht über einen Kamm zu scheren. Die Realität spielt sich im Graubereich ab, Unwörter wir "biodeutsch" entstammen hingegen dem Schwarz-Weiß-Denken.

Unwort des Jahres: "Die Sprache bringt es an den Tag"

Ein Denken, das die Nazis nach 1933 perfektioniert haben. Wie verräterisch deren Sprache war, hat Victor Klemperer in seinem Werk "LTI - Notizbuch eines Philologen" analysiert. Dieses Buch sollte heute noch als Mahnung dienen, welche Wirkungsmacht Wörter entfalten können. "Was jemand willentlich verbergen will, sei es vor anderen, sei es vor sich selber, auch was er unbewusst in sich trägt: die Sprache bringt es an den Tag" schrieb Klemperer.

Finger weg von diskriminierender Sprache und vor allem heftige Gegenwehr, wenn solche Unwörter verwendet werden - das ist die Hausaufgabe für uns alle. Anders formuliert: Wer "biodeutsch" verwendet, hat Gegenwind verdient.

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