Europa vor vier harten Jahren
Trump als Tatsache: Wir müssen schleunigst aus dem Empörungs- und Wutmodus heraus finden
14.11.2024, 12:32 UhrDonald Trump ist ein für unsere Verhältnisse unerträglicher Aufschneider, Lügner, Macho und Diktatorenbewunderer, um nur einige seiner problematischen Seiten zu erwähnen. Deswegen waren wir in Deutschland zurecht einige Tage in Schockstarre, als er wiedergewählt wurde.
Der Verhaltensmodus in der Bundesrepublik wechselte seitdem zwischen Satire, Empörung und Angst. So gut das nachzuvollziehen ist, so schnell müssen wir in einen anderen Modus kommen - nämlich den eines angemessenen, kühl kalkulierenden Umgangs mit ihm und seinem Umfeld.
Er regiert jetzt schon
In gut zwei Monaten wird er vereidigt werden, schon jetzt regiert er mehr oder weniger und stellt stückchenweise sein teils gruseliges Kabinett vor, unter anderem mit einem in der Sache komplett unerfahrenen Fernsehmoderator als Verteidigungsminister. Deswegen ist keine Sekunde mit Selbstmitleid zu verlieren, dass wir es nach vier Jahren schon wieder mit einer unberechenbaren US-Regierung zu tun haben werden.
Trump als Tatsache, das muss das neue Motto sein. Die deutsche Politik wird sich eine ungewohnte Mischung aus Härte und Schmeichelei angewöhnen müssen. Härte unter anderem dann, wenn es um den Handelskrieg geht, den der kommende Präsident anzetteln will. Und natürlich auch in Sicherheitsfragen. Schmeichelei in Punkten, die im Grund völlig unwichtig sind, aber dem Gemüt des mächtigsten Mannes der Welt entsprechen.
Wolfgang Ischinger, der erfahrene Diplomat und frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, lieferte vor kurzem in einer Talkshow ein Beispiel. Warum nicht den ständig mit Deutschland hadernden Trump zu einem Gipfel ins pfälzische Kallstadt, der Heimat seiner Vorfahren, einladen und dort die großartigen Trumps feiern, die den großartigen Präsidenten hervorgebracht haben? Das mag man für lächerlich halten, aber es bedeutet nicht allzu viel Aufwand und wäre einen Versuch wert.
Wir brauchen neue Märkte
Die kommenden vier Jahre werden auch deswegen so hart, weil Europa in schlechter Verfassung ist. Längst wäre es wichtig, sich gemeinsam andere Märkte als China und die USA zu erschließen - etwa Südamerika und Indien. Emmanuel Macron und Olaf Scholz könnten in Zusammenarbeit mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hier wenigstens noch etwas anstoßen, selbst wenn sowohl der französische Präsident als auch der deutsche Kanzler politisch angeschlagen sind.
Jeder noch so wackelige Kontakt zum Umfeld von Trump muss genutzt werden. Im Nachhinein erweist es sich vielleicht doch als schlau, dass sich einige deutsche Politiker aufgerafft haben, den Parteitag der Republikaner zu besuchen. Sie wurden dafür hart kritisiert - aus der Verblendung heraus, dass wir mit einer solchen Teilnahme den Trumpismus irgendwie anerkennen oder aufwerten würden. Dabei ist es den neuen, vor Kraft strotzenden Machthabern herzlich egal, dass wir lieber Kamala Harris als Präsidentin gehabt hätten.
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