Ernährungsstudie für Bayern

Soll der Staat gesunde Lebensmittel fördern? Er soll nicht nur - er muss

Roland Englisch

München-Korrespondent

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22.10.2024, 12:45 Uhr
Für die fränkische Seele ein Genuss, für die fränkischen Körper nur bedingt. Wir ernähren uns zwar gesünder, doch noch lange nicht gesund genug.

© imago/imagebroker Für die fränkische Seele ein Genuss, für die fränkischen Körper nur bedingt. Wir ernähren uns zwar gesünder, doch noch lange nicht gesund genug.

Es sind gute Nachrichten, die sich in der Ernährungsstudie verstecken. Und sie zeigen, dass sich die Diskussionen gelohnt haben in den vergangenen Jahren um richtige und gesunde Ernährung.

Selbst die Bayern essen also weniger Fleisch, dafür mehr Gemüse, trinken weniger süße Plörre und auch weniger Alkohol. Es ginge freilich noch mehr, und das wäre dringend notwendig. Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes Typ 2 sind weiter auf dem Vormarsch. Die Zahl der Alkoholkranken ist viel zu hoch, die der Raucher auch.

Ernährung in Bayern: Die Folgen bezahlen wir alle

Sicher ließe sich sagen, jeder lebe nach seiner Façon. Wer viel Fleisch essen, Alkohol trinken und rauchen will, soll das tun dürfen, weil er primär sich selbst schadet. Doch das greift leider zu kurz. Die medizinischen Folgen der Zivilisationskrankheiten belasten die Allgemeinheit, weil sie die Kosten tragen muss.

Beispiel Zucker. Natürlich ist es begrüßenswert, dass die Menschen weniger zuckerhaltige Softgetränke zu sich nehmen. Doch der Umkehrschluss, den Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber zieht, ist so nicht richtig. Eine Zuckersteuer könnte auch jene Bereiche treffen, in denen der Einsatz von Zucker nicht offensichtlich ist - in etlichen Lebensmitteln, Babynahrung und dergleichen mehr.

Der Staat kann regelnd eingreifen, und er tut es selbstverständlich in vielen Lebensbereichen, ohne dass es gleich zu einer Verbotsdebatte führen muss. Bayern fördert den Ausbau der Ökolandwirtschaft mit vielen Millionen Euro und unterstützt Viehhalter beim Umbau ihrer Ställe. Das Land investiert in Aufklärung und Wissen - ein mühsamer Weg.

Das ist der freiwillige und begrüßenswerte Teil. Doch der Staat hat weit größere Möglichkeiten. Die Zuckersteuer hat in jenen Ländern, die sie eingeführt haben, nicht etwa dafür gesorgt, dass Softdrinks verschwinden oder die Konzerne dahinter pleitegehen. Die haben lediglich scharf kalkuliert. Und den Zuckeranteil reduziert.

Der Staat und das Essen: Bevormundung geht anders

Das ließe sich fortsetzen über die Tabak- und die Alkohol- bis zur Mehrwertsteuer. Die beiden ersten haben eine starke Lobby, die für ihre Auftraggeber Schlimmeres verhindert. Und die Mehrwertsteuer ist gerade bei Lebensmitteln geradezu chaotisch aufgebaut. Tierfutter etwa unterliegt dem niedrigeren Steuersatz von sieben, Babynahrung dem höheren von 19 Prozent, Zucker dagegen wieder dem niedrigeren.

Auch hier könnte der Staat gesündere Lebensmittel bevorzugen. Das hat nichts mit Bevormundung zu tun oder gar mit Dirigismus. Der Staat steht in der Verantwortung für die Menschen in seinem Land - und für das Gesundheitssystem. Das ist wie die Kassen, die es finanzieren, an seinen Grenzen angelangt.

Wir werden uns entscheiden müssen, wie weit die individuelle Freiheit gehen darf, wenn sie auch die Allgemeinheit tangiert. Und ob es nicht vielleicht doch vernünftiger ist, wenn der Staat zwar auf Freiwilligkeit setzt. Und trotzdem sanft anschiebt, dort, wo er schieben kann. Im Interesse aller.

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