Taktisches Manöver
Söder verteufelt Grüne trotz früherer Avancen: Bayerns Ministerpräsident sorgt sich um CSU-Klientel
23.8.2024, 15:47 UhrEine "stabile Option" seien die Grünen als Partner für die Union, sagte Markus Söder. Es sei "eine große Koalition, die diesen Namen auch verdient". So hat es der CSU-Vorsitzende formuliert, mit Blick auf Berlin.
Keine vier Jahre ist das her. Es war eine Phase im Leben der CSU, in der ihr Chef sich ein liberal-ökologisches Mäntelchen besorgt hatte. Seine Rhetorik war defensiv; der Schock der Bundestagswahl von 2017 steckte der Union in den Knochen. Die hatte drastisch an Stimmen verloren, nicht nur, aber auch, weil die CSU sich mit der CDU in der Flüchtlingsfrage angelegt hatte. Ihre Strategen hatten erwartet, dass mit einem rechten Kurs sich die AfD einhegen lasse.
Söder ist nicht der enttäuschte Brautwerber
Geklappt hat das nicht. Auch deshalb war Söders Kurswechsel nachvollziehbar, weg vom AfD-nahen Sprech für Rechtsaußen hin zur bürgerlichen Mitte. In der sind die Grünen längst angekommen. Mit ihrer Wählerschaft hat sich die Partei verändert. Sie hat das Stricken-und-Müsli-Image ab- und das einer bodenständigen, ökologisch ausgerichteten, aber ideologisch nicht betonierten Linie angelegt, in der auch jene sich finden, die etwa die deutschen Waffenlieferungen für die Ukraine begrüßen.
Trotzdem feuert Söder seit seinem Techtelmechtel mit den Grünen aus vollen Rohren gegen sie. So, wie es sonst nur enttäuschte Liebende tun. Dahinter stecken keine verletzten Gefühle, sondern taktische Überlegungen. Denn er muss die Grünen durchaus fürchten, auch in Bayern.
Zwar haben sich im strukturell konservativen Bayern die Grünen lange schwer getan. Doch mit ihrem pragmatischen Kurs haben sie sich neue Wählerschichten erschlossen, auch bei den gemäßigt Konservativen. Söder sorgt sich um seine Klientel. Und er steht in den eigenen Reihen unter Druck.
Dort gelten bei den Konservativeren die Grünen noch immer als unmöglich. Viele haben das Bild der wilden Rebellen aus den Anfangsjahren im Kopf, als der grüne Landesverband besonders links und die Aversion der CSU besonders groß war.
Die CDU weiß es besser
Söder verteufelt deshalb die Grünen als ideologische Verbotsfetischisten. Dabei steht er ihnen gerade damit in Sachen Ideologie in nichts nach. In der CDU hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Grünen keine Teufel sind und sich mit ihnen pragmatisch Politik gestalten lässt.
Schwarz-grüne Koalitionen funktionieren, ob in Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg. Kein Wunder, dass Hendrik Wüst sich deshalb gegen Söder positioniert hat. Er arbeitet bestens mit den Grünen im Düsseldorfer Parlament zusammen.
Wüst sieht, wie Söder ein doppeltes Spiel treibt, weil er zuhause die Grünen tabuisiert und nebenbei der Union die Partnersuche nach der Bundestagswahl einengt. Denn Söder sendet nicht nur ein Signal an Bayerns Wähler. Er schafft sich eine gute Verhandlungsposition für den Bund. Sollte die CDU mit den Grünen koalieren wollen, müsste sie Söder einiges bieten. Deshalb treibt er den Preis schon jetzt nach oben.
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