Vor der Wahl

Söder greift in Europa die Grünen an - doch der wahre Feind steht rechts

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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14.5.2024, 14:34 Uhr
Sie sind neuerdings ziemlich gute Freunde: Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder und Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, deren Partei als postfaschistisch gilt.

© Oliver Weiken/dpa Sie sind neuerdings ziemlich gute Freunde: Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder und Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, deren Partei als postfaschistisch gilt.

Dass Markus Söder politisch ein wandlungsfähiger Mensch ist, ist bekannt. Verwerflich ist das nicht - Politik muss reagieren auf veränderte Fakten, auch auf Stimmungen. Das zeigt sich besonders im Wahlkampf.

Europawahl: Von Dominanz der Grünen keine Spur

Doch die Linie, die Söder fährt, irritiert, auch mit Blick auf die Europawahl. Wie schon beim bayerischen Urnengang erklärt er die Grünen zum Hauptfeind und warnt vor einer grünen Dominanz auf europäischer Ebene. Die zeichnet sich nicht ab. Nach einer europaweiten Umfrage vom März kämen die Grünen auf rund zehn Prozent der Sitze - die EVP dagegen, zu der die CSU gehört, auf mehr als 25 Prozent. Wer da wen dominiert, dürfte klar sein.

Natürlich sind die europäischen Grünen fundamentalistischer als ihre deutsche Variante. Doch sie stehen zweifellos auf dem Boden der Demokratie und hinter der europäischen Idee als einendes Friedensprojekt. Gefahr droht Europa weniger von links als von rechts. Zwar geht Söder auch die AfD an, die er konsequent als Stiefelknechte Putins brandmarkt. Warum er aber Grüne und AfD in einen Topf wirft, bleibt rätselhaft.

Zumal Politiker wie Manfred Weber, immerhin Spitzenkandidat der CSU, solche Töne nicht anschlagen. Weber betont, anders als Söder, dass bei dieser Europawahl alle Demokraten zusammenstehen müssen gegen die Rechtsradikalen, und er schließt die Grünen ausdrücklich mit ein.

Söder: Auf Augenhöhe mit den Machthabern?

Söder und Weber sind keine Freunde; ihr Weg durch die CSU ist geprägt von Rivalitäten und gegenseitiger Missachtung. Anders als Söder hält Weber allerdings seine Linien, auch über eine längere Spanne. Weber dürfte mit einiger Irritation verfolgen, wie Söder sich und Bayern derzeit im Ausland präsentiert.

Während Weber in China eine Bedrohung für Europa und seine Sicherheit sieht, sieht Söder sich auf Augenhöhe mit den chinesischen Machthabern und lobt das freundschaftliche und offene Verhältnis, das er zu ihnen habe. Ihm gehe es um Real- statt Moralpolitik, sagt Söder. Ein Freibrief für das autokratische Regime, den Weber sicher nicht unterzeichnet.

Söder balanciert außenpolitisch auf einem schmalen Grat. Er umwirbt Staatenlenker von zweifelhaftem Ruf wie den Serben Vučić, ein Anhänger Putins und Trumps. Er reist nach Italien zur postfaschistischen Regierungschefin Giorgia Meloni, die er noch vor einem Jahr mit einem Bannstrahl belegt hatte, gegen Webers Linie. Jetzt sind sie ziemlich gute Freunde geworden.

Berührungsängste hatte die CSU noch nie

Berührungsängste waren der CSU auf diesem Feld stets fremd, insbesondere, wenn es um wirtschaftliche Interessen ging. Als der Ungar Viktor Orbán sich europaweit schon ins Abseits manövriert hatte, lud die CSU ihn noch zu ihren Klausuren ein. Und Edmund Stoibers enges Verhältnis zu Russlands Diktator Wladimir Putin ist heute einigen in der CSU dann doch unangenehm.

Söder mag seinen außenpolitischen Kurs und den seiner CSU pragmatisch finden. Doch Politik hat immer auch einen moralischen Kompass. Den sollte er nicht aus den Augen verlieren.

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