Ukraine-Besuch nach langer Pause

Scholz in Kiew: Gespräche und Unterstützung ja, aber bitte kein Wahlkampfauftritt

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent

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2.12.2024, 14:04 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt mit einem Sonderzug auf dem Zentralbahnhof der ukrainischen Hauptstadt Kiew an.

© Kay Nietfeld/dpa Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt mit einem Sonderzug auf dem Zentralbahnhof der ukrainischen Hauptstadt Kiew an.

Wenn auf europäischem Boden ein Krieg stattfindet, dann ist es eine der wichtigsten Aufgaben des deutschen Bundeskanzlers, mit den Angegriffenen und den Angreifern im Gespräch zu bleiben. Insofern handelte Olaf Scholz durchaus richtig, dass er nach seinem wenig ergiebigen Telefonat mit Wladimir Putin nun auch die Ukraine besuchte.

Dieses Zeichen der Solidarität war überfällig, hatte sich der Regierungschef doch zweieinhalb Jahre lang nicht in Kiew sehen lassen. Gerade jetzt, wo die Bedrängnis des ukrainischen Volkes wegen des russischen Vordringens an einzelnen Frontabschnitten immer größer wird, braucht es dieses Zeichen der Solidarität.

Olaf Scholz und die SPD sollten sich aber davor hüten, das Thema Krieg und Frieden zu einem leicht durchschaubaren Wahlkampfthema werden zu lassen. Nach dem Motto: Ich bin der einzige Spitzenkandidat, der Frieden will. Das wäre eine Beleidigung gegenüber Union, Grünen und FDP, die selbstverständlich ebenfalls Frieden wollen.

Zwei legitime Konzepte

Auf dem Weg dorthin unterscheiden sich die Konzepte, das ist wahr. Bei den Sozialdemokraten überwiegen die Zurückhaltung und die Befürchtung, in einen großen Konflikt mit Russland hineingezogen zu werden. Die anderen genannten Parteien vertreten eher die Meinung, dass ein Einknicken vor Wladimir Putin langfristig weit schlimmere Folgen haben und dessen Eroberungsgelüste erst so richtig steigern wird.

Beide Positionen sind durchaus legitim, und es muss darüber im Wahlkampf auch gestritten werden. Unfair ist es nur, der anderen Seite zu unterstellen, sie habe den Frieden als größtes Ziel nicht ebenso im Blick wie man selbst. Das ist aus dem nun anlaufenden Wahlkampf der SPD gelegentlich herauszuhören.

Dabei gibt es viele Argumente gegen den Kurs von Olaf Scholz. Er war seit Beginn des Krieges alles andere als konsequent, verwahrte sich immer erst gegen bestimmte Waffenlieferungen, um dann doch einzuschwenken. Der Anruf bei Putin war nicht an sich falsch. Aber falsch war, dass dies nicht mit den wichtigsten europäischen Partnern abgesprochen war.

Fast komplette Funkstille

Statt als europäische Führungsmacht aufzutreten, muss Deutschland jetzt erleben, dass sich Polen in Sicherheitsfragen den entschlossener agierenden Skandinaviern annähert. Mit Frankreich, dem zweitwichtigsten Akteur des Kontinents, herrscht fast komplette Funkstille in dieser Angelegenheit. Wo ist nur das verteidigungsbereite Europa, das es so dringend bräuchte?

Jahrelang nicht in Kiew gewesen zu sein und jetzt plötzlich kurz nach seiner eigenen "Wahlsieg-Konferenz" dorthin zu reisen, befremdet ebenfalls. Der Kanzler hätte also gute Gründe, das Thema Frieden im Wahlkampf nicht allzu offensiv als sein Alleinstellungsmerkmal auszuspielen. Doch er wird vermutlich nicht davon lassen wollen.

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