Viele Jugendliche sind verdrossen

Rechtsruck droht: Welche Lehren aus der Shell-Jugendstudie gezogen werden sollten

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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15.10.2024, 16:20 Uhr
Was treibt junge Menschen im Jahr 2024 um? Das untersucht die aktuelle Shell-Jugendstudie.

© Carla Benkö/dpa Was treibt junge Menschen im Jahr 2024 um? Das untersucht die aktuelle Shell-Jugendstudie.

Die heutige Jugend ist politisch klarer orientiert, als dies vor fünf Jahren der Fall war. Das ist eine gute Nachricht, eine, die auch zu der bei den jüngsten Landtagswahlen und der Europawahl zu verzeichnenden höheren Wahlbeteiligung beigetragen hat.

Weniger erfreulich ist der steigende Anteil der Zwölf- bis 25-Jährigen, der sich rechts verortet - womit nicht eine Nähe zur Union gemeint ist, sondern zur AfD. Auch dies war bei den drei ostdeutschen Wahlen klar erkennbar - in Thüringen votierten über ein Drittel aus der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen für die in diesem Bundesland besonders weit rechtsaußen stehende Partei.

Auch wenn die Leiter der Shell-Jugendstudie aufgrund der jüngsten Ergebnisse noch keinen Rechtsruck verkünden wollen: Die Anfälligkeit für populistische Aussagen, also die vermeintlich einfachen Lösungen, steigt. Das sollte die politische Mitte beunruhigen.

Denn die erreicht die Jugendlichen immer schwerer. Vielen etablierten Parteien mangelt es an Kontaktpunkten. Wenn die Experten von einem "beachtlichen Anteil an verdrossenen Jugendlichen" sprechen, birgt diese Aussage gesellschaftlichen Sprengstoff in sich.

Denn der Schritt von der Verdrossenheit zu einer pauschalen Staatskritik ist ein kleiner. Zwölf Prozent aller jungen Menschen in der Bundesrepublik teilen eine solche Kritik.

Paart man diese Erkenntnisse mit den ebenfalls gestiegenen Sorgen vieler Jugendlicher, fällt auch der Blick in die Zukunft nicht allzu rosig aus. Die weltpolitische Instabilität hinterlässt eben Spuren - konkret sind dies eine gestiegene Angst vor einem Krieg in Europa und wachsende Sorgen um die eigene wirtschaftliche Lage.

Im Grunde kann es den Jugendlichen keiner verdenken, dass sie pessimistischer werden. Denn die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse waren schon mal überschaubarer, eine ganze Generation, die in den 90er und Nullerjahren groß geworden ist, konnte beispielsweise ohne jegliche Kriegsangst erwachsen werden. Das hat sich verändert.

Die Jugendstudie sollte deshalb nicht zu den Akten gelegt werden. Zumal sie auch ein Vorurteil abräumt, das mit der Generation Z untrennbar verbunden scheint: Die Jugend von heute ist nicht faul.

Die Shell-Jugendstudie ist eine valide Grundlage für politische Bildung - genau daran hapert es offensichtlich. Kritiker mögen einwerfen, dass längst nicht alle Schichten mit Bildungsangeboten erreicht werden können. Das ist zwar richtig, doch entbindet es die Politik nicht von dem Versuch.

Sonst verkünden die Wissenschaftler in fünf Jahren womöglich tatsächlich einen Rechtsruck. Noch bleibt Zeit, die Verdrossenen abzuholen. Man muss sich dafür allerdings bemühen und die Räume (auch soziale Netzwerke wir TikTok) besetzen, in denen die Heranwachsenden unterwegs sind. Derzeit sind hier vor allem Versäumnisse zu beklagen - mit einer Ausnahme. Die Populisten der AfD fischen in diesem Becken kräftig Nachwuchs.

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