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Putin spielt auf Zeit: Er braucht den Krieg und will Frieden nur, wenn er sich durchsetzt
Kennen Sie noch Radio Eriwan? Das war ein erfundener Sender, der zu Zeiten der Sowjetunion fiktive Hörer-Fragen beantwortete. Bitterböse Satire im real existierenden Sozialismus. Die Antworten begannen immer mit "Im Prinzip ja" - dann folgte eine Pointe. Beispiel: "Werden Radio-Eriwan-Witze honoriert?" - Radio Eriwan antwortet: "Im Prinzip ja, von 30 Jahren bis Lebenslänglich."
Es gibt Radio Eriwan noch. Denn Wladimir Putin hat auf den Vorstoß der Ukraine und der USA für eine Waffenruhe geantwortet wie Radio Eriwan. "Im Prinzip ja", sagte er in etwa zur Waffenruhe - und fügte dann in Form von Fragen so viele "Aber" an, dass aus dem Ja ein Nein wird.
Der Kreml-Chef will seine Maximalforderungen durchsetzen
Lustig ist das nicht, Satire auch nicht - aber real existierender Imperialismus. Putin will seine Maximalforderungen durchsetzen - ein Ende des Krieges zu seinen Bedingungen und, so ein Kreml-Papier, angeblich erst 2026. Sein Ziel: eine russlandfreundliche Regierung in Kiew, dauerhafter Verzicht auf den Nato-Beitritt der Ukraine, die Krim und mindestens alle annektierten Gebiete bleiben bei Russland.
Experten sagen: Putins militarisiertes Russland täte sich schwer mit dem Frieden. Die Gesellschaft ist auf den Krieg umgerüstet, staatliche Investitionen fließen zum Gutteil in Rüstung und Sold, viele Soldaten verdienen dort deutlich mehr als in normalen Berufen. Erneut zeigt sich, was Friedrich Schiller schon im "Wallenstein" schrieb: "Der Krieg ernährt den Krieg". Russlands Wirtschaft wächst - aber eben vor allem wegen des Krieges.
Und Putin begründet sein zusehends autokratisches Regime mit der angeblichen äußeren Bedrohung Russlands. Er bekämpft daher innere Feinde immer unerbittlicher. Da käme ihm Frieden vermutlich in die Quere. Stattdessen hat der Mann, der das Sowjet-Imperium wiederherstellen will, weitere Ziele im Blick.
Momentan spielt er auf Zeit - und auf die Zermürbung der Ukraine. Die Diplomatie, die Trump mit viel Hin und Her ins Laufen brachte, kommt ihm zupass: Während der Verhandlungsphase und der möglichen Waffenruhe gäbe es keine neue westliche Hilfe für Kiew. Es könnte ihm gelingen, die USA und Europa zu spalten. Denn Trump sendet nun wieder Signale, die Putin gefallen dürften: Er setzte Keith Kellog als seinen Russland-Beauftragten ab. Der erfahrene Ex-Militär war dem Kreml zu ukraine-freundlich, so ist zu hören.
Die deutsche Friedenssehnsucht kommt ihm zupass, er instrumentalisiert sie für sich
Putins setzt währenddessen die Angriffe auf die Ukraine fort, forciert sie sogar. Er könnte binnen einer Minute den Krieg beenden, den er ausgelöst hat. Aber er will das nicht, ungeachtet der Hunderttausenden von Toten und Verletzten.
Damit zeigt er gerade den Gruppen, die hierzulande auf Verhandlungen mit Russland drängen - also vor allem AfD und BSW: Deren Friedenssehnsucht ist ihm völlig egal, er zerbombt sie jeden Tag. Aber Putin instrumentalisiert den verständlichen Wunsch nach dem Ende des Krieges geschickt, um Deutschland zu spalten. Das sollten endlich alle erkennen.
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