
Kommentar
Mit einem einzigen Telefonat lässt sich kein Krieg beenden, den ein Mann gewinnen will
Es sind Lehrstunden für Donald Trump. Diplomatie, gar die Kunst, einen wirklichen Frieden zu schließen - das ist alles andere als ein "Deal", den man rasch aushandelt.
Dass sich der Krieg Putins gegen die Ukraine nicht an einem Tag beenden lässt, wie der Trump im Wahlkampf geprahlt hatte - das sagt er nun selbst nicht mehr. Und dass auch ein mehrstündiges Telefonat nicht wirklich viel bringt - das hat Trump nun wohl verstehen müssen.
Putin hat Trump vorgeführt - und ihm geschmeichelt
Denn Putin hat ihn, blickt man aufs dürftige Resultat, vorgeführt. Der Kreml-Chef weiß, wie das geht - andere im Gespräch zu beeindrucken und, im Falle Trumps, auch ausgiebig zu loben. Das gefällt dem Mann im Weißen Haus.
Ansonsten? Was vereinbart wurde, ist zum einen bereits brüchig und zum anderen tatsächlich eine "Nullnummer" (Boris Pistorius): Keine Angriffe auf Energie-Infrastruktur - schon kurz nach dem Telefonat machten russische Soldaten das Gegenteil, auch die Ukraine hält sich offenbar nicht daran.
Immerhin: Trump hat danach auch mit Wolodymyr Selenskyj telefoniert - dem Mann, den er vor drei Wochen rausgeworfen hatte. Gut, dass das Opfer nun wohl doch mitreden darf, wenn es über seine Zukunft geht. Das klingt aus Washington und Moskau manchmal anders. Putins Wutredner Dmitrij Medwedew beschrieb ein Essen nur unter den Großmächten mit den Europäern als Appetithappen: " Das Telefongespräch zwischen den Präsidenten Putin und Trump bestätigte eine altbekannte Idee - im Speisesaal sitzen nur Russland und Amerika. Auf der Speisekarte: leichte Vorspeisen - Rosenkohl, britische Fish and Chips und Pariser Hahn. Der Hauptgang ist ein Schnitzel nach Kiewer Art."
Dass sich Russland und die USA dieses "Schnitzel nach Kiewer Art", also die Ukraine, aufteilen: Das ist noch nicht auszuschließen. Mit Folgen, die vor allem für uns in Europa bedrohlich sein könnten. Weil Putin sich dann, mit einer Atempause, ermutigt sehen kann, weiterzumachen. Und weil andere genau beobachten, wenn sich Eroberungsversuche lohnen.
Der Kreml will ein ihm willfähriges System in der Ukraine sehen
Es wäre völlig fehl am Platz, Häme über das magere Ergebnis von Trumps Telefonat mit dem von ihm offenbar verehrten Putin auszugießen. Es ist gut, dass Bewegung in den Konflikt kommt - aber: Momentan ist nicht absehbar, in welche Richtung er sich bewegt. Moskau sendete bisher kein einziges Signal, das den Krieg in einer Weise beenden könnte, die der Ukraine ihre staatliche Souveränität erhält: Putin will ein ihm willfähriges Regime dort sehen, so etwas wie ein zweites Belarus.
Akzeptiert Trump so etwas? Wir wissen es nicht, sein Kurs ist zu unklar. Für die Europäer wäre das auf jeden Fall eine Bedrohung - und eine nicht hinnehmbare Unterdrückung, ja Auslöschung einer lebendigen Demokratie. Daher ist es leider richtig und notwendig, dass Europa sich nun buchstäblich (und endlich) rüstet für die wachsenden Herausforderungen, die erst (und schon lange) Putin und nun auch Trump für seine, für unsere Sicherheit bedeuten.
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