Der Ungehorsam soll weiterhin eine Rolle spielen
Mit dem Kleben ist es vorbei: Warum sich die Letzte Generation zu Recht ganz neu erfinden will
11.3.2024, 15:00 UhrEs konnte nicht mehr so weitergehen. Das massenhafte Festkleben auf deutschen Straßen durch Klimaaktivisten hat, je länger es dauerte, die Bevölkerung umso mehr gegen die Letzte Generation aufgebracht und von den eigentlichen Zielen der Bewegung abgelenkt. Der Ärger vieler, die angesprochen werden sollten, war schließlich größer als der Impuls, ernsthaft über den Klimawandel nachzudenken.
Das hat die Letzte Generation gut erkannt und die richtigen Konsequenzen daraus gezogen. Dafür gebührt ihr ausdrücklich Anerkennung. Es gehört Mut dazu, einen Weg zu beenden, der sich als untauglich erwiesen hat. Die strafrechtlichen Konsequenzen für das bisherige Blockadegeschehen müssen die Aktivisten nun ohnehin aushalten.
Die Mehrheit hat die gleichen Ziele
Gleichzeitig war es vernünftig, dass die Bewegung über neue Formen des Protests nachdachte und diese auch umsetzen will. Denn es ist ja tatsächlich so, dass die Bekämpfung des Klimawandels weltweit Vorrang haben muss. In dem Punkt trifft die Letzte Generation den Willen einer großen Mehrheit in der Bevölkerung.
Unter anderem ist daran gedacht, mit sogenannten „ungehorsamen Versammlungen“ auf sich aufmerksam zu machen - sich also im Stile eines Flashmobs an zentralen Orten zu versammeln und dabei durchaus auch die gewohnten Abläufe unseres Alltags zu blockieren. Das kann lästig werden für Passanten, aber es ist ein ganz anderes Kaliber, als sich auf einer Straße festzukleben und dadurch wichtige Transporte zu blockieren.
Vor der Nase von Frank-Walter Steinmeier
Die erste Pressekonferenz in der neuen Protestphase fand im Freien in unmittelbarer Nähe zum Schloss Bellevue statt, dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier hätte vom Fenster aus zusehen können. Den Vertreterinnen und Vertretern der Politik auf diese Weise lästig zu werden, sie zum Zuhören zu zwingen, ist ebenfalls eine legitime Maßnahme.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesteht Bürgern zivilen Ungehorsam und Blockaden innerhalb gewisser Grenzen zu. Das kann selbstverständlich auch die Letzte Generation für sich in Anspruch nehmen.
Auch die Bauern sollten nachdenken
Das Hinterfragen von bisher praktizierten Protestformen ist übrigens etwas, was man nicht nur von Klimaaktivisten erwarten darf. Auch die Bauern sollten sich dringend Gedanken darüber machen, ob sie weiter Baumstämme auf Straßen kippen, Autobahnauffahrten blockieren und so Gefahrenquellen schaffen wollen.
Die Situation ist durchaus vergleichbar: So wie eine Mehrheit der Bevölkerung wirksame Maßnahmen gegen Klimawandel fordert, so ist sie auch für einen anständigen Umgang mit der Landwirtschaft, für faire Bezahlung und gute Produktionsbedingungen. Das alles kann auch mit gemeinschaftsverträglicheren Methoden des Protests erreicht werden.
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