Nun wirbt er - spät - um die Stimmen der Grünen: Friedrich Merz im Bundestag.
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Nun wirbt er - spät - um die Stimmen der Grünen: Friedrich Merz im Bundestag.

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Merz begab sich ohne Not in Nöte - diese vier Fehler hätte er vermeiden können

Wird Friedrich Merz gar nicht Kanzler? Einige im Bundestag wünschten ihm dies in der bemerkenswerten Sitzung des Parlaments in seiner alten Zusammensetzung. Und das Szenario ist noch nicht vom Tisch: Gibt es keine Mehrheiten für die Milliarden-Pakete, die Union und SPD über Nacht schnürten - dann stünde Merz vor einem Desaster.

Der CDU-Chef steckt aktuell in Nöten. Und zwar ohne Not. Er hat sich mit einer Reihe unnötiger Manöver selbst unter Druck gesetzt.

Eine Reihe vermeidbarer Fehler des künftigen Kanzlers

- Das absehbar nicht einzuhaltende Pochen auf die Schuldenbremse vor der Wahl brachte Merz nun den begründeten Vorwurf ein, Wahlversprechen in Rekordtempo zu brechen.

- Sein Migrations-Vorstoß mit den Stimmen der AfD beschädigte sein Ansehen.

- Der einseitige Fragenkatalog, den CDU und CSU kurz vor der Wahl in Sachen Staatshilfen für Nichtregierungsorganisationen einreichten, konnte von SPD und Grünen nur als durchschaubarer, unfreundlicher Akt gewertet werden.

- Dann die Wutrede von Merz am Wahl-Wochenende gegen "Spinner" - zusammen mit dem rüden Aschermittwochs-Rundumschlag von Markus Söder das beste Rezept dafür, Parteien vor den Kopf zu stoßen, auf deren Zustimmung man tags darauf angewiesen ist.

Taktische Meisterleistungen sehen anders aus. Und man kann nur hoffen, dass Merz in einer Art Schnellkurs erfährt: Kanzler geht anders als Oppositionsführer. Statt Attacke zählen nun nur Kompromisse, dafür braucht diplomatische Geschmeidigkeit statt Schneid und forscher Tonlage.

Davon war nun einiges herauszuhören. Merz bot den Grünen an, auch den Klimaschutz einzubauen. Da dürfte es Annäherung geben. Und man staunt über Positionswechsel: Plötzlich vollziehen Merz und Söder das, was sie vor der Wahl als Teufelswerk geschmäht hatten - das Aufweichen der Schuldenbremse. Mehr noch: Weil die SPD darauf drängte, winkten sie das Infrastruktur-Paket durch.

Nun drängen die Grünen auf finanzpolitische Vernunft

Und nun sind es die Grünen, die so argumentieren wie vor der Wahl die Union: Es dürfe nicht sein, dass der Sondertopf dazu dient, den normalen Etat sogar noch aufzublähen. Genau das geschieht schon - mit Wahlgeschenken wie dem SPD-Mindestlohn-Anstieg oder der CSU-Mütterrente.

Da kann es nicht schaden, wenn nun in der kurzen Zeit bis zur entscheidenden Bundestagssitzung am Dienstag noch mehr Klarheit in das gigantische Zahlen-Paket kommt. Ja, das nervt - und das kostet Merz und Söder Überzeugungsarbeit. Bei den Grünen, auch bei den Freien Wählern: Die wollen das Paket nicht mittragen - ohne Bayerns Stimmen im Bundesrat wird es da aber eng.

Alles lösbare Konflikte. Dazu braucht es Gesprächsfähigkeit. Aber die Probleme im Bundestag oder auch die nun beginnenden Koalitionsverhandlungen sind Kinkerlitzchen im Vergleich zu den Herausforderungen, die Merz und sein Kabinett in Europa und global erwarten. Dafür kann man ihm nur Glück und Gelingen wünschen. Da sollten die Hürden daheim mit Geschick und staatspolitischer Verantwortung doch zu meistern sein.

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