Gezielte Tötungen
Israel demonstriert Stärke und demütigt den Iran. Aber was wird nun aus den Geiseln und Gaza?
Es ist eine absolute Demütigung für die Mullahs in Teheran: Israel tötet in der iranischen Hauptstadt den Chef der Hamas, kurz nachdem Ismail Hanija noch an der Amtseinführung des neuen Präsidenten teilgenommen hatte. Eine Hinrichtung, die den Iran maximal provoziert. Denn Israel hat seine Stärke vor den Augen des Regimes demonstriert: Seht her, was wir können - und ihr seid dagegen machtlos.
Die gleiche Botschaft sandte Netanjahus Regierung an die Hisbollah, an den Libanon - in dem diese Terrororganisation sich eingenistet hat - und nochmals an den Iran: Vor dem Anschlag auf Hanija tötete Israel den Vize der Hisbollah, Fuad Shukr, in Beirut.
Rache, Vergeltung - und dann?
Das war die Rache, die Vergeltung für die Rakete, die am Samstag in einem Dorf auf den Golanhöhen zwölf Jugendliche und Kinder getötet hatte - eine Waffe iranischer Bauart, die offenbar von der Hisbollah über einem Fußballplatz abgeworfen wurde. Und dafür, dass die Hisbollah seit Monaten den Norden Israels in Visier nimmt, wo Zigtausende aus ihrer Heimat fliehen mussten.
Gezielte Tötungen, wie sie die USA und auch Israel immer wieder vornehmen, werden im Rahmen kriegerischer Konflikte zusehends als mögliches Mittel beurteilt. Insofern sind Israels jetzige Attacken als Verteidigung gegen den Terror von Hamas und nun auch Hisbollah einzuordnen. Aber was kommt danach? Prompt hat Irans neuer, moderaterer Präsident Massud Peseschkian Vergeltung angekündigt - dreht sich die Spirale der Gewalt weiter, erhöht sich die Gefahr eines Flächenbrands und Zwei-Fronten-Krieges, der selbst die starke israelische Armee in Bedrängnis bringen könnte.
Bisher scheute Teheran vor einem großen Krieg zurück
Bisher reagierte der Iran bei ähnlichen Attacken mit dosierten Gegenschlägen. Denkbar, dass pro-iranische Gruppen nun - auf Geheiß Teherans - Attentate gegen Einrichtungen der USA und Israels verüben. Vor einem großen Krieg scheute die Diktatur stets zurück.
Was aber wird nun mit den Geiseln, die nach wie vor in der Hand der Hamas und vermutlich gefährdeter denn je sind? Gibt es jetzt überhaupt noch Aussicht auf eine Waffenruhe in Gaza? Die wollen nicht alle in Israels Regierung, die rechtsradikalen Hardliner um Sicherheitsminister Ben-Gvir drohen für diesen Fall sogar mit dem Bruch der Koalition. Das will Netanjahu um jeden Preis verhindern - weil ihn dann die Verfahren einholen, die momentan pausieren.
Israel selbst steht vor einer Zerreißprobe. Die UN beklagen Misshandlungen von Hamas-Terroristen. Als Israels Militärpolizei gegen die dafür verantwortlichen Soldaten vorging, stürmte ein Mob zusammen mit rechtsextremen Abgeordneten die Militärbasis. Wenn Israel aber stets betont, es unterscheide sich als Demokratie von den Nachbarn, muss es Menschenrechte achten. Eine Mehrheit der Israelis fürchtet eine Radikalisierung der Politik. Es wäre gut für das Land und die Region, wenn sich Israel auf seine Werte besinnen, Extremisten bekämpfen und die Ära Netanjahu beenden würde.
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