Mit Augenklappe beim Gipfel: Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner geben zum Abschluss des G20-Treffens eine Pressekonferenz.
© Kay Nietfeld, dpa
Mit Augenklappe beim Gipfel: Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner geben zum Abschluss des G20-Treffens eine Pressekonferenz.

Die Regeln sind kompliziert

G20-Gipfel - wie "Risiko", aber kein Spiel: Warum diese Treffen wichtig bleiben

Es erinnert manchmal an den Brettspiel-Klassiker "Risiko": Da gilt es, Armeen und Länder zu sammeln, auf einem Spielplan, der die Weltkarte ist. Am Ende eines oft stundenlangen Spiels war dann meist einer der Herrscher der Welt. Auf den G20-Gipfeln treffen sich viele Herrscher, und manche fragen: Macht das wirklich Sinn? Wenn die Abschlusserklärung schon vor dem Treffen feststeht: Braucht es solche Treffen wirklich?

Die Regeln sind komplizierter, und nicht alle halten sich daran

Und im Prinzip ist vieles - grob zugespitzt - in der Tat wie bei "Risiko". Es geht um Macht, Einfluss, militärische und wirtschaftliche Stärke. Um Märkte. Aber die Regeln - an die sich nicht mehr alle Akteure halten, siehe Putin - sind komplizierter, das Ganze ist kein Spiel, sondern bitterer Ernst. Der ist nicht nach einer langen Nacht mit Würfeln zu Ende, sondern hört nie auf. Und Machtverschiebungen dauern Jahr(zehnt)e.

Auf diesem G20-Gipfel wurden sie sichtbar: Die afrikanischen Staaten wurden als 21. Mitglied aufgenommen, überfällige Folge des wachsenden Gewichts dieses Kontinents. Seine Bevölkerung legt zu, als Rohstofflieferant sind viele Staaten begehrt. Und umkämpft: In etlichen Ländern wurde gegen Regierungen geputscht, die für zu viel Nähe zu den alten Kolonialmächten stehen. Russland und China fassen dort Fuß. Russland mit Militär und der Söldnertruppe Wagner, die die Politik manipuliert und Kämpfe um Bodenschätze führt. China mit dem Aufkauf riesiger Ländereien und der Finanzierung von Infrastruktur.

Indien sucht seinen Platz

Momentan ist auf dem Brettspiel der Welt viel Bewegung. Indien hat China als bevölkerungsreichstes Land der Erde abgelöst und sucht seinen Ort - mal näher am Westen, mal näher an den Brics-Staaten, zu denen es neben Brasilien, Russland, China und Südafrika zählt und die sich kürzlich erweitert haben.

Und "der Westen", sofern es ihn überhaupt noch gibt, kann nicht davon ausgehen, dass er dominiert. Ähnlich wie in Europa: Auch in der EU sind die Nationalen auf dem Vormarsch, die illiberalen Demokratien wie Ungarn oder Polen. Auch Italien tendiert in diese Richtung, Frankreich würde es mit Marine Le Pen tun, die AfD verfolgt diesen Kurs des zu starken Staates auch, der Gerichte und Medien kontrolliert.

Worte und Taten zur Ukraine

Nun, in Neu Delhi, haben immerhin alle miteinander gesprochen. Fast alle. Putin wagt keine Ausreise wegen einer möglichen Verhaftung. Warum Chinas Xi nicht kam, bleibt - wie so vieles dort - ein Rätsel. Und die Gipfel-Erklärung zur Ukraine ist weichgespült, ja. Aber: Die Staaten erzielten einen Formelkompromiss. Um die tatsächliche Zukunft der Ukraine wird nach wie vor auf dem Schlachtfeld gekämpft. Leider nicht mit Würfeln, sondern mit Waffen, die töten. Und offenbar Erfolgen der ukrainischen Offensive. Die könnten die (aktuell sehr geringe) Wahrscheinlichkeit von Verhandlungen mit Putin erhöhen. Auch da gibt es ohne Gespräche keine Lösung.

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