Ein alter, hadernder Mann

Frauen „rein dienstlich“ angefasst - ernsthaft? Warum Thomas Gottschalk besser geschwiegen hätte

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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16.10.2024, 14:55 Uhr
Entertainer Thomas Gottschalk schreibt in seinem neuen Buch: "In meinem Alter muss man nicht mehr cool sein."

© Philipp von Ditfurth/Philipp von Ditfurth/dpa Entertainer Thomas Gottschalk schreibt in seinem neuen Buch: "In meinem Alter muss man nicht mehr cool sein."

Mögen Sie Thomas Gottschalk? Dann sollten Sie vielleicht diesen Meinungsbeitrag auslassen. Denn die nächsten Zeilen fallen nicht allzu schmeichelhaft für den 74-Jährigen aus. Ich mochte Thomas Gottschalk übrigens auch. Sein Karrierebeginn als Radio-Moderator verlief erfrischend, seine Fernseh-Auftritte waren höchst unterhaltsam. Und er schien sogar zum richtigen Zeitpunkt abzutreten - im Wissen, dass sein Genre, die Samstagabend-Familienshow im analogen TV, ihre besten Zeiten wohl hinter sich gebracht hatte.

Doch dann zog es Gottschalk noch zwei Mal auf die große Bühne - und schon diese beiden letzten "Wetten, dass..?"-Sendungen deuteten ans, wie unzeitgemäß der Gottschalk‘sche Humor geworden ist - die Witze kamen so daher, als ob da einer aus der Zeit gefallen ist. Am Ende seiner einmaligen Karriere gab es drei Lager: die eingefleischten Gottschalk-Fans, denen jeder Schenkelklopfer ihres Idols recht war und ist, die scharfzüngigen Kritiker, die im Me-too-Zeitalter den Umgang des alternden Stars mit Frauen, also auch die "Herrenwitze", anprangerten, und diejenigen, die Mitleid mit einem Menschen hatten, dessen Umgang mit anderen schon mal die Grenze der Peinlichkeit überschreiten konnte.

Gottschalk: Musterbeispiel eines alten, hadernden Mannes

Vor allem die Kritiker - mit dieser Aussage tritt man Gottschalk gewiss nicht zu nahe - hat er nicht verstanden. Vielleicht deshalb legt der größte fränkische TV-Entertainer nun nochmal nach: Sein Buch mit dem Titel "Ungefiltert" kommt wie eine Abrechnung mit all denen daher, die ihn nicht weiter feiern wollten. Der Kulmbacher gefällt sich offenbar in seiner Rolle, als aneckender Ex-TV-Star Dinge auszusprechen, die andere nicht auszusprechen wagen - er habe gesagt, was die "schweigende Mehrheit" denke, rechtfertigt er seinen erneuten Ausflug ins Autorendasein.

Einer der Kernsätze des Buches lautet denn auch: ",Bereuen‘ tue ich gar nichts." Selbstverständlich darf Gottschalk so etwas schreiben, ohne jeden Zweifel kann er etwa die Generation Z kritisieren, nur: Am Ende sollte er sich nicht wundern, wenn ihm erneut Kritik entgegenschlägt.

Denn Gottschalk ist das Musterbeispiel eines alt gewordenen, mit den gesellschaftlichen Umständen hadernden Mannes, der seinem Unverständnis über den Zeitgeist auf 319 Seiten Luft verschafft. Man kann das machen, die Verkaufszahlen werden sicher gut sein, doch der Erkenntnisgewinn ist gering.

Unsere Gesellschaft entwickelt sich weiter, nicht alles muss einem da gefallen (Gendern kritisiert nicht nur Gottschalk), doch eines sollte auch einem Promi klar sein: Wenn frauenfeindliche Witze heute nicht mehr akzeptiert werden, ist dies ein Fortschritt. Und gewiss kein Grund, der "guten alten Zeit" hinterherzutrauern. Gleiches gilt für das "rein dienstliche" Anfassen von Frauen. Es wäre womöglich besser - oder in Gottschalks Worten: cooler - gewesen, dieser Rechtfertigungsversuch in Buchform wäre unterblieben.

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