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Endlich geht es los im neuen Bundestag: Das Schicksal unseres Landes steht auf dem Spiel
Es hat stets etwas Feierliches, wenn ein neuer Bundestag zusammentritt. Ein besseres Sinnbild für eine Demokratie gibt es ja auch nicht als das erste Aufeinandertreffen der frei und geheim gewählten Abgeordneten, die aus ganz Deutschland nach Berlin gereist sind. Dieses Mal kommt neben der Feierlichkeit noch ein weiteres Gefühl hinzu: die Besorgnis.
Noch nie dürfte die Frage so offen gewesen sein, wo Deutschland am Ende dieser regulär vierjährigen Legislaturperiode stehen wird. Und zwar in so ziemlich allen Belangen des Lebens. Das macht die derzeitige Lage so außergewöhnlich.
Der neue Bundestag kommt in einer Zeit der Krisen ohne Ende zusammen
Wird es gelingen, uns gegen hybride und reale kriegerische Angriffe verteidigen zu können? Schaffen wir es, den wirtschaftlichen Niedergang der Bundesrepublik zu stoppen? Haben sich die USA bis 2029 vielleicht schon komplett von uns losgesagt und sind ein uns fremdes, autoritär regiertes Land geworden? Gibt es bei uns selbst überhaupt noch stabile, nicht-extreme Mehrheiten?
Der Bundestag muss mit einer neuen Regierung unser Land durch all diese Krisen steuern. Leicht wird das nicht, denn es ist zum Beispiel sehr fraglich, ob der Kanzler jemals wieder eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung erreichen kann. Deswegen war es richtig, wenn auch hochproblematisch, den alten Bundestag noch einige wegweisende Beschlüsse fassen zu lassen.
Eine große Frage wird es sein, wie sich die verdoppelte AfD-Fraktion verhält. Sie soll, sie darf und sie muss als größte Oppositionspartei die künftige Schwarz-Rote Koalition hart kritisieren und vieles in Frage stellen. Was sie besser lassen sollte, das sind fortlaufende Pöbeleien in Richtung der anderen Fraktionen und der Regierungsbank sowie skandalträchtige Inszenierungen, die gar nicht dem Parlament gelten, sondern den Sozialen Netzwerken.
Die Hoffnung ist gering, dass das gelingt. Eine wichtige Rolle im Umgang mit den Rechtspopulisten kommt der neuen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner von der CDU zu. Sie besitzt den Schneid und das Mundwerk, sich in den Plenarsitzungen durchzusetzen. Ob sie das auch geschickt umsetzen kann, ist noch fraglich.
Berechtigte und sexistische Kritik an Klöckner
Es war korrekt von der politischen Konkurrenz, im Zusammenhang mit Klöckner an manch unglückliche Äußerungen in der Vergangenheit und an Misserfolge als Ministerin zu erinnern. Damit muss jemand leben, der für ein solch hohes Staatsamt kandidiert. Es war unanständig und sexistisch, ihr ihre lange zurückliegende Vergangenheit als Weinkönigin vorzuwerfen. Als ob das irgendetwas Anstößiges wäre.
Mit dem Hin und Her bei ihrer geplanten persönlichen Vorstellung vor der AfD-Fraktion (wie bei allen anderen Fraktionen) hat sich Klöckner keinen Gefallen getan. Erst kündigte sie es an, dann ließ sie es nach Protesten der Grünen wieder sein. Konsequentes und überlegtes Vorgehen sieht anders aus. Doch sie hat wie alle Vorgängerinnen und Vorgänger eine Chance verdient. Ihre Prüfungszeit beginnt: jetzt.
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