Marode Bauwerke

Einsturz der Dresdner Carolabrücke: Deutschlands Infrastruktur braucht eine konzertierte Aktion

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent

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12.9.2024, 13:16 Uhr
Ein Blick auf die teilweise eingestürzte Carolabrücke in Dresden.

© Robert Michael/dpa Ein Blick auf die teilweise eingestürzte Carolabrücke in Dresden.

Die traurigen Reste der Dresdner Carolabrücke sehen so aus, als ob ein Riese vorbeigegangen und versehentlich draufgestiegen wäre: Die Fahrbahn ist einfach so eingeknickt. Gott sei Dank brach das Bauwerk nicht während der Hauptverkehrszeit zusammen, sonst hätten wir vermutlich eine große Zahl von Toten und Verletzten zu beklagen. Den Rest der Republik sollte das alarmieren.

Zwar ist längst nicht erwiesen, welche Ursachen dieses Unglück hatte. Statiker weisen darauf hin, dass es sich hier von vorneherein um eine problematische Konstruktion handelte, deren Versagen kaum erkennbar gewesen sei und für die man sich deswegen heute nicht mehr entscheiden würde. Aber dass es grundsätzlich um Deutschlands Brücken nicht gut steht, sollte bei der Gelegenheit erwähnt werden.

Drei Ursachen für das Zaudern

Zwischen Schleswig-Holstein und Bayern gibt es rund 40.000 Brücken über Autobahnen und Bundesstraßen. Ein Viertel davon muss saniert werden. In manchen Fällen blieb den Behörden gar nichts anderes übrig, als einzelne Bauwerke zu sperren. Der Ausfall und die spätere Sprengung der Rahmedetal-Brücke sorgte zum Beispiel für erhebliche Verkehrsprobleme im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen.

Warum geht die Brückensanierung so langsam voran? Dafür gibt es mehrere Ursachen. Erstens: Solche Generalüberholungen sind teuer und werden von den Bürgern im Gegensatz zu Neubauten meist nicht besonders gewürdigt. Das sollte zwar Politikerinnen und Politiker eigentlich nicht beeindrucken, aber in Zeiten knapper Kassen tut es das eben leider doch. Zumal die Kosten dabei fast immer explodieren.

Zweitens: In der Praxis wird es zunächst einmal immer schlimmer, wenn man eine Brücke saniert. Es entstehen Nadelöhre, die den Verkehr über Jahre hinweg stocken lassen. Oft sind die Arbeiten so kompliziert und zeitlich so wenig vorhersehbar, dass eine Frist nach der anderen gerissen wird. Das wiederum führt zu größerem Frust der Verkehrsteilnehmer, obwohl es sich doch um eine sinnvolle Maßnahme handelt.

Drittens: In der öffentlichen Verwaltung und auch im Bauwesen fehlt es an Personal, um die nötige Zahl von Projekten in Angriff nehmen zu können. Selbst wenn Geld und guter Wille vorhanden sein sollten, wird es also nur sehr langsam vorangehen.

Eine konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Kommunen könnte helfen, die marode Infrastruktur - neben Brücken auch Straßen und Schienen - wieder etwas mehr in den Blick zu bekommen. Doch das wäre ja derzeit in so vielen Bereichen wie Wohnungsbau und Schulsanierung nötig, dass einem etwas die Hoffnung fehlt. Vielleicht müssen erst noch einige Brücken zwangshalber gesperrt werden, bis der Druck groß genug ist. Aber von da an wird es mindestens noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis etwas passiert. Keiner soll hinterher sagen, er habe das nicht gewusst.

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