Regierungserklärung des Kanzlers

Die Stunde der Elefanten: Was sich Scholz, Merz und Söder im Bundestag alles an den Kopf warfen

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent

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13.11.2024, 17:32 Uhr
Friedrich Merz rechet bei der Regierungserklärung mit dem Kanzler (im Hintergrund) ab.

© Michael Kappeler/dpa Friedrich Merz rechet bei der Regierungserklärung mit dem Kanzler (im Hintergrund) ab.

Um 15.20 Uhr war es so weit. Da trat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zum ersten Mal in seinem Leben an das Rednerpult des Deutschen Bundestages. Er wollte als CSU-Vorsitzender dann doch dabei sein bei einer der letzten großen Debatten des Parlaments vor den Neuwahlen.

Nach seinem kräftigen Holzen gegen die Ampel-Parteien während der vergangenen Wochen hatte er eine gewisse Erwartungshaltung geweckt. Und er steigerte sie sogar selbst noch. "Ich würde einfach empfehlen, das anzuschauen", sagte er im Vorfeld über seinen Bundestagsauftritt. Das klang so, als ob er sich Großes vorgenommen hätte.

Söder war auf der Rednerliste "eingeklemmt" zwischen Alice Weidel (AfD) und Britta Haßelmann (Grüne). Bis zuletzt schien er an seinem Manuskript zu feilen. Als er dann endlich an der Reihe war, wetterte er als Erstes gegen das "selbstgerechte, arrogante Geschrei" seiner Vorrednerin, der AfD-Vorsitzenden. "Sie sind keine Patrioten. Deswegen werden wir Ihnen dieses Land nicht überlassen", sagte er in Richtung der Rechtspopulisten.

"Fremdgeschämt" für die Ampel

Unmittelbar danach widmete sich Söder ausführlich der gescheiterten Ampel-Regierung. "Das halbe Land hat sich dafür fremdgeschämt", beschrieb er die Ereignisse des 6. November - also den Koalitionsbruch am Tag der Wahl des neuen US-Präsidenten Donald Trump. "Sie werden als die schwächste Bundesregierung aller Zeit in die Geschichte eingehen", sagte er SPD, Grünen und FDP voraus.

Söder sei es nur mit seinem Auftritt nur darum gegangen, "seinen Senf nochmal dazuzugeben", warf ihm Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann vor. Vermutlich habe man hier und heute im Deutschen Bundestag "den Auftakt einer betreuten Kanzlerkandidatur" erlebt - nämlich der von Friedrich Merz durch den CSU-Vorsitzenden. Den "destruktiven Rückblick" auf die Geschichte der Ampel verbat sie sich, denn in den drei Jahren dieser Regierung sei in mancher Hinsicht mehr geschehen als in den 16 Merkel-Jahren zuvor.

Den Anfang des Debattentages hatte, wie es sich bei einer Regierungserklärung gehört, der Bundeskanzler gemacht. Er ging noch einmal auf den Rauswurf von Finanzminister Christian Lindner ein: "Diese Entscheidung war richtig und sie war unvermeidlich." Es habe schließlich "einen Dissens in einer fundamentalen Frage", nämlich der Schuldenbremse, gegeben. Während Olaf Scholz das sagte, blätterte Lindner demonstrativ in seinen Unterlagen und fügte offensichtlich letzte Anmerkungen in seine eigene Rede ein.

Oppositionsführer Friedrich Merz, der mögliche nächste Kanzler, durfte als Erster auf den Regierungschef antworten. Er warf Olaf Scholz vor, mit seinem Verhalten seit dem Ende der Ampel eine Mehrheit "zu simulieren, die Sie gar nicht mehr haben. Es mag schwer sein, das zu akzeptieren, aber es ist so."

Gleichzeitig deutete der CDU-Chef an, dass mit seiner Partei durchaus noch gemeinsame Gesetzesbeschlüsse möglich seien. Allerdings nur nach der verlorenen Vertrauensfrage von Scholz Mitte Dezember. Zuvor fehle der Union das Vertrauen in die Zusagen des Kanzlers. Das habe er durch seine "Verschleppungsversuche" in Bezug auf die Neuwahlen selbst verschuldet.

Das größte Pech des Debattentages hatte der Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen. Robert Habeck versäumte die günstige Gelegenheit eines Wettstreits mit den anderen Spitzenkandidaten wie Merz und Lindner vor einem Millionenpublikum. Er war wegen eines Defekts an seinem Regierungsflugzeug in Lissabon hängengeblieben. Statt seiner sprach Außenministerin Annalena Baerbock, die aber im nächsten Wahlkampf bestenfalls die Nummer zwei ihrer Partei sein dürfte.

Unaufmerksam während Lindners Rede

Der gerade erst hinausgeworfene Finanzminister saß während der Debatte in der ersten Reihe der FDP-Fraktion und konnte - einige Meter links von sich entfernt - seinen Nachfolger Jörg Kukies auf der Regierungsbank beobachten. Christian Lindner selbst interpretierte seinen erzwungenen Abschied aus dem Kabinett als eine "Befreiung". In der Ampel habe man am Ende gar "nicht mehr über dasselbe Land geredet".

Olaf Scholz war nicht sonderlich aufmerksam während Lindners Rede. Das dürfte durchaus auch ein demonstrativer Akt gewesen sein, nachdem er dem FDP-Chef quasi alle Schuld am Scheitern der Ampel zugeschoben hatte. Unter anderem wandte er sich dem Verteidigungsminister Boris Pistorius und seinem Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt zu und tauschte sich mit ihnen aus. Aber das gehört zum Geschäft. Nur nicht zu erkennen geben, dass einen irgendwelche Argumente zu Herzen gehen.

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