Boris Pistorius zieht zurück
Die SPD und die Lust am Leiden: Warum sich die Beantwortung der K-Frage so quälend gestaltet hat
21.11.2024, 21:33 UhrDas Theater um die K-Frage war wieder so ein typisches SPD-Stück, eines mit viel zu vielen Akten, wie es wohl nur die Sozialdemokratie zur Aufführung bringen kann. Am Ende musste Boris Pistorius selbst das Drama beenden - mittels einer Videobotschaft schaffte er endlich Klarheit. Und macht somit den Weg für Olaf Scholz frei.
Selbstverständlich taten auch andere Lager sich bei Personalentscheidungen in der Vergangenheit schwer: Wer sich an den Machtkampf zwischen Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) erinnert, weiß, wie weh es tun kann, ehe das politische Spitzenpersonal feststeht.
Einen gewichtigen Unterschied gibt es jedoch zwischen dem damaligen Machtkampf innerhalb der Union und der heutigen Lage der SPD: Die Konservativen haben ihre Themen rechtzeitig geklärt, die SPD hat nun in einer Last-Minute-Aktion ihren Kanzlerkandidaten bestimmt. Bis zum Wahltermin sind es nur mehr drei Monate.
Die Freude an der Demontage des eigenen (!) Kanzlers, als dieser beim G20-Gipfeltreffen in Rio de Janeiro weilte, hat jedenfalls viele Beobachter irritiert. Gleiches gilt für das Verhalten der Parteispitze, die das Treiben bis zuletzt nicht stoppen wollte oder konnte.
K-Frage bei der SPD: Wer verspricht mehr Erfolg?
Zwar wird der nächste Bundeskanzler mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht aus den Reihen der Sozialdemokraten stammen, doch darum ging es längst nicht mehr: Welche der beiden Optionen (Olaf Scholz oder Boris Pistorius) verspricht mehr Erfolg am 23. Februar - das war die Frage, die in den vergangenen Tagen vor allem innerhalb der SPD mit einer Vehemenz diskutiert wurde, die unüberhörbar war.
Vor allem in Reihen der SPD-Bundestagsfraktion grassiert bei etlichen Abgeordneten die Angst. Der nächste Bundestag wird ohnehin verkleinert, die SPD dümpelt in Umfragen derzeit eher unterhalb als oberhalb der 15-Prozent-Marke. Umgerechnet auf die Zahl der Sitze im Reichstag kann dies im schlechtesten Fall bedeuten, dass die 207-köpfige Fraktion künftig nur mehr knapp über 100 Frauen und Männer zählt.
Jeder Sitz zählt, lautet deshalb die Parole. Und für möglichst viele Sitze muss nun Olaf Scholz kämpfen. Der Rückzug des äußerst beliebten Verteidigungsministers Pistorius hat den Weg für den Amtsinhaber zwar freigemacht, doch gelungen ist der Start in den Wahlkampf keineswegs. Die SPD hat mal wieder zu lange gebraucht.
Jetzt steigt der unpopulärere Kandidat in den Ring. Für Scholz spricht die Erfahrung, für ihn spricht auch der Wahlkampf 2021. Damals setzte kaum jemand auf den Hanseaten. Vier Jahre später sieht es allerdings viel düsterer für die sozialdemokratische Partei aus. Kaum jemand aus den eigenen Reihen glaubt an eine Wiederholung des Wahlsiegs. Olaf Scholz zieht nicht als Hoffnungsträger in diesen Wahlkampf, sondern als ein Mann, der viele Hoffnungen enttäuscht hat.
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