Bedenkliche Signale an Russland

Die SPD knickt ein gegenüber Despoten und Demagogen: Ist die Zeitenwende am Ende?

Alexander Jungkunz

Chefpublizist

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1.11.2024, 13:40 Uhr
Er wurde vom neuen SPD-Generalsekretär quasi rehabilitiert: Altkanzler Gerhard Schröder, hier bei einer Diskussion mit Ungarns Premier Viktor Orbán in Wien.

© Eva Manhart/dpa Er wurde vom neuen SPD-Generalsekretär quasi rehabilitiert: Altkanzler Gerhard Schröder, hier bei einer Diskussion mit Ungarns Premier Viktor Orbán in Wien.

Ausgerechnet jetzt. In einem Augenblick, in dem Russland ohne jede Rücksicht auf die verheerenden Verluste seine Offensive gegen die Ukraine im Donbass vorantreibt - und zu einem Zeitpunkt, wo mit einem möglichen Wahlsieg Trumps eine Preisgabe der Ukraine an Putin näher rückt: Ausgerechnet jetzt also verändert die SPD Zug um Zug ihre Russlandpolitik. Aus der Zeitenwende wird eine Wendezeit: Die Sozialdemokraten verlieren ihr ohnehin schwach entwickeltes Rückgrat gegenüber Moskau zusehends.

Signal Nr. 1: Bei den Sondierungen für eine Koalition aus SPD und BSW in Brandenburg billigten die Sozialdemokraten heikle Formulierungen zur Russlandpolitik. In dem Papier erklärten SPD und BSW, man sehe die Stationierung von "Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf deutschem Boden kritisch". Zudem werde der Ukraine-Krieg "nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können", man baue auf "diplomatische Lösungen".

Es kommt kaum Kritik aus der SPD

Da hat sich Sahra Wagenknecht nahezu ganz durchgesetzt. Aber aus der SPD kam kaum Kritik - nur der Außenpolitiker Michael Roth, der sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen wird, sagte, was das Papier bedeutet: "Es greift die Wagenknecht-Lüge auf, wonach unsere Ukrainepolitik ausschließlich aus Waffenlieferungen bestehe, und ignoriert damit die klare Linie des Kanzlers sowie den einstimmigen Parteitagsbeschluss der SPD: Waffenlieferungen und Diplomatie sind zwei Seiten derselben Medaille." Es seien aber nicht der Westen oder die Ukraine, die sich diplomatischen Lösungen verweigerten, sondern Putin, der sogar ein Telefonat mit dem Bundeskanzler ablehne.

Und der sich freuen wird, dass die SPD nun auch wieder auf seinen Duz-Freund Gerhard Schröder zugeht. Der neue Generalsekretär Matthias Miersch erklärte den Altkanzler ausdrücklich zu einem Teil der Partei. Wofür Schröder steht, machte er kurz darauf bei einer Diskussion in Wien mit Ungarns russlandfreundlichem Premier Viktor Orbán klar. Die Ukraine habe den Krieg verloren, behauptete Orbán. Und er setzt wie Schröder darauf, dass Trump das Thema rasch beende, zusammen mit Putin.

Die Ukraine? Spielt für manche gar keine Rolle mehr

Das dürfte auch vielen Deutschen gefallen - vor allem im BSW- und AfD-Lager. Dabei muss sich jeder im Klaren sein, was das bedeutet: Die USA geben Russland dann vermutlich freie Hand im Umgang mit der Ukraine. Und das angegriffene Land? Spielt dabei überhaupt keine Rolle, wird nicht einbezogen, nicht befragt.

Das wäre ein unfassbarer Triumph für Putin. Eine Preisgabe aller Werte, für die nicht nur die SPD steht, sondern auch Union, FDP und Grüne. Und das in Zeiten, wo sich Russlands Grenzen zeigen: Dem Land geht das Material langsam aus - an Menschen und Waffen. Da wäre es angebracht für den Westen, durchzuhalten, um die Ukraine nicht fallenzulassen - und Putin zu neuen Grenzüberschreitungen zu ermutigen. Exakt in diese Richtung aber schwenkt die SPD: Sie ist dabei, gegenüber Despoten und Demagogen einzuknicken.

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